Dass du ewig denkst an mich
Maschine tropfte,
machte sie ein paar gymnastische Übungen und sah sich in der
Küche um. Betsy Lyons, die Immobilienmaklerin, glaubte eine
echte Interessentin für das Haus zu haben. Und bei dem
Gedanken wurde ihr bewußt, daß ihr Entschluß, es zu
verkaufen, immer noch nicht ganz feststand. Jedenfalls hatte
sie Betsy Lyons gesagt, daß sie den Preis unter keinen
Umständen senken würde.
Sie trug den Kaffee nach oben und nippte immer wieder
daran, während sie Lippenstift, Rouge und Lidschatten
auflegte. Das war zu einem morgendlichen Ritual geworden, so
etwas wie ein liebevoller Tribut an ihre Mutter. Mama, wenn es
dir nichts ausmacht, werde ich heute elegant sein, dachte sie.
Aber Marie wäre mit dem blaugrauen Tweedkostüm sicher
einverstanden gewesen.
Sie bürstete ihr krauses Haar. »Morgen wird die Sonne
wieder scheinen…«, sang sie leise.
Sie warf einen prüfenden Blick in ihren Aktenkoffer. Die
Notizen für ihr Plädoyer waren dort, wo sie sie hingelegt hatte.
Das wär’s dann, dachte sie. Sie war fast unten an der Treppe
angelangt, als sie hörte, wie die Küchentür aufging. »Ich bin’s,
Sarah«, rief Sophie. Schritte klapperten durch die Küche. »Ich
muß heute zum Zahnarzt, also bin ich ein wenig früher
gekommen. Oh, siehst du hübsch aus.«
»Danke. Du hättest nicht so früh zu kommen brauchen. Jetzt
bist du zehn Jahre bei uns, da kannst du dir doch mal eine oder
zwei Stunden frei nehmen, wenn es nötig ist.« Sie lächelten
einander zu.
Daß das Haus verkauft werden sollte, bedrückte Sophie,
daraus machte sie kein Hehl.
»Es sei denn, ihr Mädchen nehmt euch hier in der Nähe eine
Wohnung, damit ich mich um euch kümmern kann«, hatte sie
zu Sarah gesagt.
An diesem Morgen wirkte sie beunruhigt. »Sarah, du kennst
doch den Satz Messer neben dem Herd?«
Sarah war damit beschäftigt, ihren Mantel zuzuknöpfen.
»Ja.«
»Hast du vielleicht eines davon weggenommen?«
»Nein.«
»Ich habe gerade bemerkt, daß das größte Tranchiermesser
fehlt. Ist doch eigenartig.«
»Oh, es wird schon irgendwo sein.«
»Na ja, aber ich weiß nicht wo.«
Plötzlich hatte Sarah ein ungutes Gefühl. »Wann hast du es
zuletzt gesehen?«
»Ich weiß nicht genau. Am Montag ist mir aufgefallen, daß
es fehlte. In der Küche ist es nicht, das weiß ich sicher.«
Sophie zögerte. »Laurie wird es doch nicht aus irgendeinem
Grund in der Schule brauchen?« Sophie wußte von dem Traum
mit dem Messer.
»Das glaube ich kaum.« Sarah schluckte und spürte plötzlich
einen Kloß in der Kehle. »Ich muß mich jetzt beeilen.«
Während sie die Tür öffnete, sagte sie: »Wenn du irgendwo auf
das Messer stoßen solltest, dann hinterlaß mir im Büro eine
Nachricht, ja? ›Ich hab’s gefunden‹, reicht schon. Okay?«
Sie sah das Mitgefühl in Sophies Gesicht. Sie glaubt, Laurie
hat es genommen, dachte Sarah. Mein Gott!
In ihrer Unruhe rannte sie zurück zum Telefon und wählte
Lauries Nummer. Eine schläfrige Stimme meldete sich am
anderen Ende. Laurie hatte beim ersten Klingeln abgehoben.
»Sarah? Natürlich geht’s mir gut. Ich hab’ sogar in zwei
Fächern wieder gute Noten bekommen. Das sollten wir
irgendwie feiern.«
Erleichtert legte Sarah auf und eilte nach draußen in die
Garage. Sie war für vier Fahrzeuge gebaut, aber nur ihr Wagen
stand darin. Laurie ließ den ihren immer in der Einfahrt stehen.
Während sie ins Freie fuhr, entschied sie für sich, daß Laurie
im Augenblick ganz vernünftig klang. Sie würde heute abend
Dr. Carpenter und Dr. Donnelly anrufen und ihnen von dem
Messer erzählen. Aber zunächst mußte sie es aus ihren
Gedanken verdrängen. Maureen Mays und ihrer Familie
gegenüber wäre es nicht fair, wenn sie heute vor Gericht nicht
in Bestform war. Aber warum in Gottes Namen sollte Laurie
das Tranchiermesser genommen haben?
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»Sarahs Geschworene sind noch nicht in den Gerichtssaal
zurückgekehrt«, sagte Laurie zu Dr. Carpenter, während sie
ihm in seiner Praxis gegenübersaß. »Ich beneide sie. Sie nimmt
ihren Beruf so ernst, daß sie alles, woran sie gerade nicht
denken will, einfach verdrängen kann.«
Carpenter wartete. Laurie war anders, irgendwie kälter. Das
war das erstemal, daß sie für Sarah feindselige Gefühle
empfand. In ihren Augen konnte man den aufgestauten Zorn
blitzen sehen. Irgend etwas war zwischen ihr und Sarah
vorgefallen. »Ich habe von dem Fall gelesen«, sagte er ruhig.
»Das kann ich mir vorstellen,
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