Dass du ewig denkst an mich
damals
angehabt hatte. Eigentlich merkwürdig, daß ihr Blick bei den
vielen gerahmten Fotos ausgerechnet auf dies eine gefallen
war. Bic hatte recht. Es gab einen Grund dafür, daß Gott sie
hierhergeschickt hatte.
Sie tat so, als müsse sie niesen, zog das Taschentuch heraus
und ließ in Lees Schlafzimmer einen Handschuh fallen. Selbst
wenn Betsy Lyons es ihr nicht gesagt hätte, war leicht
festzustellen, welches Zimmer Lee gehörte. Im Zimmer der
Schwester lagen stapelweise juristische Bücher auf dem
Schreibtisch.
Opal folgte Betsy Lyons die Treppe hinunter und bat dann
darum, sich noch einmal die Küche ansehen zu dürfen. »Mir
gefällt diese Küche«, seufzte sie. »Dieses Haus ist ein Traum.«
Wenigstens war sie ehrlich, dachte Opal amüsiert. »Aber jetzt
sollten wir besser fahren. Mein Knöchel tut mir weh, ich sollte
mich hinsetzen.« Sie setzte sich auf einen der hochbeinigen
Hocker vor der Eßtheke.
»Aber selbstverständlich.« Betsy Lyons konnte spüren, wenn
ein Kaufentschluß reifte.
Opal griff in die Manteltasche, suchte ihre Handschuhe und
runzelte die Stirn. »Ich hab’ sie doch beide beim
Hereinkommen angehabt.« Sie kramte in der anderen Tasche
herum, brachte das Taschentuch zum Vorschein. »Oh, jetzt
weiß ich es. Ich wette, ich hab’ den Handschuh fallen lassen,
als ich niesen mußte. Das war in dem Schlafzimmer mit dem
blauen Teppich.« Sie schickte sich an, vom Hocker zu
rutschen.
»Warten Sie ruhig hier«, erbot sich Betsy Lyons. »Ich laufe
hinauf und sehe nach.«
»Oh, würden Sie das tun?«
Opal wartete, bis die Schritte auf der Treppe ihr bestätigten,
daß Betsy Lyons auf dem Weg ins Obergeschoß war. Dann
sprang sie vom Hocker und rannte zu der Reihe von Messern
mit blauen Handgriffen, die neben dem Herd an der Wand
befestigt waren. Sie schnappte sich das größte, ein langes
Tranchiermesser, und ließ es in ihre Schultertasche gleiten.
Als Betsy Lyons lächelnd mit dem Handschuh in der Hand
in die Küche zurückkam, saß sie schon wieder auf dem Hocker
und rieb sich den Knöchel.
30
Die erste Wochenhälfte war wie im Flug vergangen. Sarah
arbeitete bis Donnerstag spät in die Nacht an ihrem
Schlußplädoyer.
Sie las aufmerksam, machte sich Auszüge und bereitete sich
kleine Kärtchen mit den wesentlichen Punkten vor, mit denen
sie die Geschworenen beeindrucken wollte. Das erste Licht des
jungen Morgens drang durch ihre Schlafzimmerfenster. Um
Viertel nach sieben las Sarah den letzten Absatz ihres
Plädoyers. »Meine Damen und Herren, Mr. Marcus ist ein
geschickter und erfahrener Strafverteidiger. Er hat sich
sämtliche Zeugen, die in jener Nacht auf dem Bahnhofsgelände
waren, einen nach dem anderen vorgenommen.
Zugegebenermaßen war nicht heller Tag, aber es war auch
nicht so dunkel, daß sie James Parkers Gesicht nicht sehen
konnten. Jeder Zeuge hatte gesehen, wie er sich an Maureen
Mays heranmachte und von ihr abgewiesen wurde. Jeder von
ihnen hat Ihnen, und zwar ohne zu zögern, gesagt, daß James
Parker derjenige ist, der in jener Nacht in Maureens Wagen
stieg…
Ich würde sagen, meine Damen und Herren, das
Beweismaterial hat Ihnen ohne den leisesten Zweifel gezeigt,
daß James Parker diese junge Frau ermordet und damit ihren
Ehemann, ihre Mutter, ihren Vater und ihre Geschwister ihrer
Liebe und ihrer Unterstützung beraubt hat.
Nichts kann sie wieder ins Leben zurückrufen, aber Sie, die
Geschworenen, haben die Macht, ihren Mörder der
Gerechtigkeit zuzuführen.«
Sie war auf sämtliche Punkte eingegangen. Das Gebäude aus
Beweisen, das sie aufgebaut hatte, war unerschütterbar. Doch
Conner Marcus war der beste Strafverteidiger, dem sie sich je
gegenübergesehen hatte. Und Geschworene waren
unberechenbar.
Sarah stand auf und streckte sich. Das Adrenalin, das
während einer Verhandlung immer durch ihre Adern pulsierte,
würde sie wie ein Fieber gepackt halten, wenn sie ihre letzten
Argumente einleitete. Darauf baute sie.
Sie ging ins Bad und drehte die Dusche an. Die Versuchung,
unter den Kaskaden von heißem Wasser zu verweilen, war
groß. Besonders ihre Schultern waren völlig verspannt.
Trotzdem schaltete sie das heiße Wasser ab und drehte den
Kaltwasserhahn ganz nach rechts. Mit verzerrtem Gesicht
ertrug sie den eisigen Strahl.
Sie frottierte sich schnell ab, schlüpfte in einen langen,
dicken Frotteemantel und Pantoffeln und rannte hinunter, um
sich Kaffee zu kochen. Während er durch die
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