Dass du ewig denkst an mich
sehe mal rein. Sie sehen gut
aus. Schön, Sie wiederzusehen. Ich hatte schon befürchtet, daß
Sie inzwischen im Ruhestand wären.«
»Nett, daß Sie sich erinnern, Mr. Moody. Nein, ich habe
mich entschlossen, abzuwarten und erst Mitte August Schluß
zu machen. Offengestanden, nimmt das Geschäft im
Augenblick wirklich zu, und ich frage mich manchmal, ob ich
mit dem Verkauf nicht noch hätte zuwarten sollen. Aber wenn
ich dann am Morgen aufstehe und zum Zug eile und mein
Mann beim Kaffee noch die Zeitung liest, dann sage ich mir,
genug ist genug.«
»Nun, Sie und Karen Grant scheinen sich wirklich auf
persönliche Betreuung zu verstehen«, meinte Moody, während
er sich in einen Sessel sinken ließ. »Erinnern Sie sich, wie Sie
mir erzählten, daß Sie und Karen in der Nacht, in der Professor
Grant starb, am Flughafen von Newark waren? Es gibt nicht
viele Leute in der Reisebranche, die persönlich zum Flughafen
fahren, selbst wenn ihr allerbester Kunde ankommt.«
Anne Webster schien über das Kompliment erfreut. »Die
Dame, die wir abgeholt haben, ist schon recht betagt«, sagte
sie. »Es gibt für sie nichts Schöneres als Reisen, und sie nimmt
gewöhnlich eine ganze Schar Freunde und Verwandte auf ihre
Kosten mit. Letztes Jahr haben wir für sie und acht weitere
Leute eine Kreuzfahrt erster Klasse rund um die Welt gebucht.
An dem Abend, an dem wir sie abholten, hatte sie eine Reise
abgekürzt und kam allein zurück, weil sie sich nicht wohl
fühlte. Ihr Chauffeur war zufällig gerade abwesend, also hatten
wir uns erboten, sie am Flughafen abzuholen. Ist ja wirklich
nichts Besonderes, wenn es darum geht, sie bei der Stange zu
halten.«
»Die Maschine ist um halb zehn eingetroffen, wenn ich mich
richtig erinnere«, sagte Brendon beiläufig.
»Nein, sie sollte um halb zehn eintreffen, und wir kamen um
neun am Flughafen an. Der Flug hatte sich in London
verzögert, und man sagte uns, es würde zehn werden, also
gingen wir in die VIP-Lounge.«
Brendon warf einen Blick auf seine Notizen. »Und dann ist
das Flugzeug, wie Sie sagten, um zehn gelandet.«
Anne Webster wurde verlegen. »Ich hatte mich geirrt. Nach
dem letzten Gespräch mit Ihnen wurde mir klar, daß es fast
halb eins geworden war.«
»Halb eins!«
»Ja. Als wir in die Lounge kamen, sagten die uns, die
Computer seien ausgefallen, und es würde spät werden. Aber
Karen und ich haben uns auf dem Fernseher in der Lounge
einen Film angesehen, und die Zeit verging uns ziemlich
schnell.«
»Das kann ich mir vorstellen«, warf die Sekretärin lachend
ein. »Wahrscheinlich haben Sie den ganzen Film verschlafen,
Mrs. Webster.«
»Ganz sicher nicht«, widersprach Anne Webster etwas
indigniert. »Die zeigten Spartacus. Das war vor Jahren einmal
einer meiner Lieblingsfilme, und jetzt haben sie die Stellen
eingefügt, die man damals rausgeschnitten hatte. Ich habe kein
Auge zugetan.«
Moody ließ es dabei bewenden. »Karen Grant ist mit einem
gewissen Edwin befreundet, einem Reiseschriftsteller, nicht
wahr?« Als er das sagte, entging ihm der Gesichtsausdruck der
Sekretärin nicht, ihre zusammengepreßten Lippen und das
Stirnrunzeln. Wenn sie allein war, würde er dieses Thema noch
einmal anschneiden.
»Mr. Moody, eine Geschäftsfrau lernt viele Männer kennen.
Das führt dann natürlich dazu, daß sie mit ihnen zu Mittag oder
zu Abend ißt, und es stört mich, daß man heutzutage in so
etwas noch etwas Ungehöriges hineininterpretieren kann.«
Anne Webster schien der Punkt recht wichtig. »Karen Grant ist
eine attraktive junge Frau, die hart arbeitet. Sie war mit einem
brillanten Professor verheiratet, der durchaus Verständnis dafür
hatte, daß sie sich ihr eigenes Leben aufbaute. Allan Grant war
ihr gegenüber ungewöhnlich großzügig. Sie hat über ihn immer
nur das Beste gesagt. Und ihre Beziehungen zu anderen
Männern waren durch und durch ehrenhaft.«
Connie Santinis Schreibtisch stand schräg hinter dem von
Anne Webster. Sie fing Brendons Blick auf und verdrehte die
Augen.
88
Die Dienstbesprechung in der Klinik am 8. Juli war fast zu
Ende. Es gab nur noch einen Fall zu diskutieren: Laurie
Kenyon. Justin Donnelly wußte sehr wohl, daß ihr Fall alle in
höchstem Maße beschäftigte. »Wir machen Fortschritte«, sagte
er. »Möglicherweise sind wir sogar im Begriff, dem auf die
Spur zu kommen, was ihr in jenen fehlenden zwei Jahren
widerfahren ist. Das Problem ist nur, daß wir nicht mehr genug
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