Dass du ewig denkst an mich
Zeit haben. Laurie wird heute nachmittag nach Hause entlassen
und von nun an ambulant behandelt werden. In ein paar
Wochen wird sie vor Gericht treten und sich des Totschlags
schuldig bekennen.«
In dem Raum herrschte Stille. Außer Dr. Donnelly saßen
noch vier weitere Personen am Konferenztisch: zwei
Psychiater, die Kunsttherapeutin und die Tagebuchtherapeutin.
Kathie, die Tagebuchtherapeutin, schüttelte den Kopf. »Doktor,
ganz gleich, welche ihrer zusätzlichen Persönlichkeiten in das
Tagebuch schreibt, keine von ihnen gibt zu, Allan Grant getötet
zu haben.«
»Das ist mir bekannt«, sagte Justin. »Ich habe Laurie
gebeten, mit uns zu Grants Haus in Clinton zu fahren, um
nachzustellen, was in jener Nacht geschehen ist. Aber wenn es
um Grants Tod geht, mauert sie.«
»Das deutet doch darauf hin, daß weder sie noch irgendeine
ihrer Alternativpersönlichkeiten sich an das erinnern will, was
dort vorgefallen ist?«
»Schon möglich.«
»Doktor, sehen Sie sich diese Zeichnungen an. Die neuesten
Strichfiguren sind viel detaillierter.« Pat, die Kunsttherapeutin,
reichte ein paar Zeichnungen herum. »Die sehen doch
eindeutig so aus, als würde eine Frauengestalt eine Art
Halskette tragen. Können Sie sie nicht dazu bringen, darüber
zu reden?«
Als Laurie eine Stunde später in Justins Büro kam, trug sie eine
hellrosa Leinenjacke und einen weißen Faltenrock. Sarah
begleitete sie, und Justins Kompliment bezüglich der Kleidung
ihrer Schwester bereitete ihr sichtlich Freude. »Es ist mir
gestern beim Einkaufen aufgefallen«, erklärte sie, »und dies ist
schließlich ein wichtiger Tag.«
»Freiheit«, sagte Laurie leise, »kurz und beängstigend, aber
dennoch wohltuend.«
Und dann fügte sie völlig unerwartet hinzu: »Vielleicht ist’s
Zeit, daß ich einmal Ihre Couch ausprobiere, Doktor.«
Justin bemühte sich, lässig zu klingen. »Aber gern. Gibt es
irgendeinen Grund, daß Sie das ausgerechnet heute wollen?«
Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und streckte sich auf der
Couch aus. »Vielleicht kommt es daher, daß ich mich in der
Gesellschaft von euch beiden wohl fühle.« Sie zögerte. »Sarah
hat gesagt, ich habe nach meinem Schuldbekenntnis etwa sechs
Wochen bis zum Urteilsspruch. Der Staatsanwalt hat sich
bereit erklärt, dafür zu plädieren, daß ich bis zum Urteilsspruch
auf Kaution frei bleiben darf. Ich weiß, daß ich unmittelbar
nach der Urteilsverkündung ins Gefängnis gehen muß, also
werde ich diese sechs Wochen wirklich genießen. Wir werden
Golf spielen und die Wohnung herrichten, damit ich etwas
habe, woran ich mich erinnern kann, während ich weg bin.«
»Ich hoffe, Sie werden nicht vergessen, zu den Sitzungen bei
mir zu kommen, Laurie.«
»O nein. Wir werden jeden Tag kommen. Es gibt nur so viel,
was ich tun möchte. Ich sehne mich danach, wieder Auto zu
fahren. Gregg hat eine neues Cabrio. Ich gehe nächste Woche
mit ihm golfen.« Sie lächelte. »Es ist wirklich schön, daß ich
mich darauf freuen kann, mit ihm auszugehen, und keine Angst
zu haben brauche, daß er mir weh tun wird. Das ist der Grund,
weshalb ich mich auf die Couch legen kann. Ich weiß, Sie
werden mir auch nicht weh tun.«
»Nein, das werde ich nicht«, sagte Justin. »Sind Sie in Gregg
verliebt, Laurie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das wäre zuviel gesagt. Ich bin
viel zu durcheinander, um irgend jemanden zu lieben,
wenigstens so, wie Sie das meinen. Aber der erste Schritt ist
doch, daß es einem einfach Spaß macht, mit jemandem
zusammenzusein, oder?«
»Ja, so ist es. Laurie, könnte ich mit Kate sprechen?«
»Wenn Sie wollen.« Sie klang gleichgültig.
Seit Wochen hatte Justin Laurie nicht zu hypnotisieren
brauchen, um die anderen Persönlichkeiten herbeizurufen. Jetzt
richtete Laurie sich auf, drückte die Schultern zurück, und ihre
Augen verengten sich. »Was ist denn nun schon wieder,
Doktor?« Es war Kates Stimme.
»Kate, ich bin ein wenig beunruhigt«, sagte Justin. »Ich
möchte, daß Laurie ihren Frieden mit sich selbst und mit allem,
was geschehen ist, macht, aber erst dann, wenn die ganze
Wahrheit herausgekommen ist. Sie vergräbt sie immer tiefer,
nicht wahr?«
»Doktor, Sie fangen jetzt wirklich an, mir gründlich auf die
Nerven zu gehen! Kapieren Sie denn wirklich nicht? Sie ist
bereit, regelmäßig zu Ihnen zu kommen. Sie freut sich, wieder
mit Gregg zusammenzusein. Sie weiß, daß der Tod ihrer Eltern
ein schrecklicher Unfall war und nicht
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