Daughter of Smoke and Bone
Nacht scheuten sie vor dem Gedanken an die Zukunft zurück, und trotz all dem, was sie heute geliebt und entdeckt hatten, spürten sie auch voreinander noch eine gewisse Scheu.
Stattdessen griff Madrigal nach dem Amulett, das sie um den Hals trug. »Weißt du, was das ist?«, fragte sie ihn, während sie das Band löste.
»Ein Knochen?«
»Ja. Das ist ein Wunschknochen. Du musst den Finger um den einen Sporn haken, so etwa, und dann wünschen wir uns beide was und ziehen gleichzeitig. Wer das größere Stück in der Hand behält, dessen Wunsch geht in Erfüllung.«
»Magie?«, fragte Akiva und setzte sich auf. »Von welchem Vogel stammt denn dieser Knochen, dass er Magie besitzt?«
»Oh, das ist keine Magie. Die Wünsche werden nicht wirklich wahr.«
»Warum macht man es dann?«
Madrigal zuckte die Achseln. »Hoffnung? Hoffnung kann große Kraft haben. Vielleicht steckt in ihm keine echte Magie, aber wenn man weiß, was man am meisten hofft, und diese Hoffnung wie ein Licht in sich scheinen lässt, dann können Wünsche wahr werden. Fast wie durch Magie.«
»Und was hoffst du am meisten?«
»Das darf man nicht verraten. Komm, wünsch dir was mit mir.«
Sie hielt Akiva den Wunschknochen entgegen.
Dass Madrigal diesen Knochen an einem Band befestigt hatte, war teils aus einer Laune und teils aus Trotz geschehen. Damals war sie vierzehn gewesen, seit vier Jahren in Brimstones Diensten, aber inzwischen auch im Kampftraining, im vollen Bewusstsein ihrer Kraft. Eines Nachmittags war sie in den Laden gekommen, als Twiga gerade neu geprägte Lucknows aus den Gussformen klaubte, und sie hatte sofort angefangen, um einen zu betteln.
Brimstone hatte sie noch nicht mit der harten Realität und dem Zusammenhang zwischen Magie und Schmerz bekannt gemacht, und für Madrigal war das Wünschen einfach ein Spaß. Als er ihr die Bitte abschlug – was er außer bei den Scuppies, die nur eine winzige Prise Schmerz brauchten, immer tat –, bekam sie einen kleinen, aber sehr theatralischen Wutanfall in ihrer Ecke. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr daran, was für ein Wunsch es gewesen war, der für ihr vierzehnjähriges Selbst so lebenswichtig gewesen war, aber sie wusste noch genau, wie Issa einen Knochen aus den Überresten des Abendessens – ein Grimmsumpfhuhn in Sauce – gezogen und sie mit der Menschenlegende vom Wunschknochen getröstet hatte.
Issa kannte viele Menschengeschichten, und von ihr hatte Madrigal auch die Faszination für diese Rasse und ihre Welt. Brimstone zum Trotz nahm sie den Knochen und inszenierte eine aufwendige Wunschprozedur damit.
»Das ist alles?«, fragte Brimstone, als er hörte, was für ein belangloses Bedürfnis ihren Wutanfall ausgelöst hatte. »Darauf hättest du einen Wunsch verschwendet?«
Eigentlich waren sie und Issa gerade dabei gewesen, den Knochen zu zerbrechen, aber sie hielten inne.
»Du bist doch kein Dummkopf, Madrigal«, sagte Brimstone. »Wenn es etwas gibt, was du willst, dann streng dich an, es zu bekommen. Hoffnung hat ihre eigene Kraft. Aber verschwende sie nicht für dummes Zeug.«
»Gut«, antwortete Madrigal und hielt den Wunschknochen schützend in der Hand. »Dann hebe ich den Knochen auf, bis meine Hoffnung deinen Ansprüchen gerecht wird.« Sie befestigte den Wunschknochen an einem Band. Eine Woche lang äußerte sie laut und demonstrativ irgendwelche lächerlichen Wünsche und tat so, als zöge sie sie wirklich in Betracht.
»Ich wünschte, ich könnte mit den Füßen schmecken wie ein Schmetterling.«
»Ich wünschte, Skorpionmäuse könnten sprechen. Ich wette, sie kennen die besten Gerüchte.«
»Ich wünschte, ich hätte blaue Haare.«
Aber sie ging nie so weit, den Wunschknochen zu zerbrechen. Was als kindischer Trotz angefangen hatte, verwandelte sich im Laufe der Zeit in etwas ganz anderes. Aus Wochen wurden Monate, und je länger Madrigal den Wunschknochen aufbewahrte, ohne ihn zu zerbrechen, desto wichtiger erschien es ihr, dass der Wunsch – oder eher die Hoffnung – ihrer wert war, wenn es irgendwann einmal so weit war.
Im Requiem-Hain mit Akiva war der Augenblick gekommen.
In Gedanken formulierte Madrigal ihren Wunsch, blickte Akiva fest in die Augen und zog. Der Knochen zerbrach genau in der Mitte, und als sie die beiden Stücke verglichen, war kein Unterschied festzustellen.
»Oh. Ich weiß nicht, was das bedeutet. Vielleicht, dass beide Wünsche in Erfüllung gehen.«
»Vielleicht bedeutet es aber auch, dass wir uns
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