Daughter of Smoke and Bone
verloren aus. Wie Welpen.«
Karou überkam ein Anflug von schlechtem Gewissen. Was dachte sie sich bloß dabei, dass sie sich Brimstone widersetzte und Wünsche dazu benutzte, unschuldige Rucksacktouristen in den Regen hinauszutreiben? Sie ließ sich auf die Couch sinken. Ihr Kopf tat weh, ihre Haare waren nass, sie war müde und konnte nicht aufhören, an den Wunschhändler zu denken. Wie würde er reagieren?
Die ganze Zeit, während Zuzana und sie ihr Gulasch aßen, schweifte ihr Blick immer wieder zur Tür.
»Wartest du auf jemanden?«
»Oh. Ich … Ich hab nur Angst, dass Kaz plötzlich auftaucht.«
»Wenn er auftaucht, stecken wir ihn in den Sarg hier und nageln ihn zu.«
»Klingt gut.«
Sie bestellten Tee, der in einer antiken Silberkaraffe serviert wurde. Auf dem Zuckerstreuer und dem Milchkännchen waren die Worte »Arsen« und »Strychnin« eingraviert.
»So«, sagte Karou. »Du siehst also den Geiger morgen im Theater. Wie sieht dein Plan aus?«
»Ich hab keinen Plan«, antwortete Zuzana. »Ich will das alles einfach überspringen und zu dem Teil kommen, wo er mein Freund ist. Ganz zu schweigen von dem Teil, wo er … na ja, wo er wenigstens zur Kenntnis nimmt, dass ich existiere.«
»Ach komm schon, du willst doch nicht wirklich den ganzen Anfang überspringen?«
»Doch.«
»Die erste Begegnung? Die Schmetterlinge, das Herzklopfen, die heißen Wangen? Den Teil, wenn du sein Magnetfeld betrittst und wie von unsichtbaren Energieströmen angezogen wirst?«
»Von unsichtbaren Energieströmen?«, wiederholte Zuzana. »Wirst du jetzt so ein New-Age-Spinner, der Kristalle trägt und die Aura der Leute liest?«
»Du weißt doch genau, was ich meine. Erstes Date, Händchenhalten, erster Kuss, das ganze Schmachten und Sehnen.«
»O Karou, du arme kleine Romantikerin.«
»Von wegen. Ich wollte sagen, dass der Anfang der schönste Teil ist, weil da noch alles sonnig und rosig scheint, be- vor sich die Kerle unweigerlich als Arschlöcher rausstellen.«
Zuzana verzog das Gesicht. »Sie können doch nicht alle Arschlöcher sein, oder?«
»Keine Ahnung. Vielleicht nicht. Vielleicht nur die hübschen.«
»Aber er
ist
hübsch. O Mann, ich hoffe, er ist kein Arschloch. Hältst du es für möglich, dass er Nicht-Arschloch
und
Single ist? Jetzt mal im Ernst. Wie stehen die Chancen?«
»Schlecht.«
»Ja, ich weiß.« Zuzana sank theatralisch auf ihrem Sitz zusammen und sah plötzlich wie eine weggeworfene Marionette aus.
»Pavel mag dich«, sagte Karou. »Er ist offiziell ein Nicht-Arschloch.«
»Ja, schon, Pavel ist süß, aber von ihm kriege ich keine Schmetterlinge.«
»Die Schmetterlinge im Bauch.« Karou seufzte. »Weißt du, was ich denke? Ich denke, die Schmetterlinge im Bauch sind immer da, in allen Leuten, die ganze Zeit …«
»Wie Bakterien?«
»Nein, nicht wie Bakterien, wie
Schmetterlinge
, und manche Schmetterlinge reagieren auf die Schmetterlinge von anderen Leuten, auf einer chemischen Ebene, wie Pheromone, und wenn die Leute sich näherkommen, fangen die Schmetterlinge an zu tanzen. Sie können gar nicht anders, es ist eine chemische Reaktion.«
»Eine chemische Reaktion. Na,
das
ist echt romantisch.«
»Ja, oder? Blöde Schmetterlinge.« Die Idee gefiel ihr, also holte sie ihr Skizzenbuch raus und fing an zu zeichnen: Comic-Eingeweide und einen Magen voller Schmetterlinge.
Papilio stomachus
wäre der lateinische Name.
Zuzana fragte: »Also wenn das alles eine chemische Reaktion ist und man nichts dagegen machen kann, heißt das, dass der Blödmann deine Schmetterlinge immer noch zum Tanzen bringt?«
Karou sah auf. »Niemals. Ich glaube, er bringt meine Schmetterlinge zum
Kotzen
.«
Zuzana trank gerade einen Schluck Tee und musste sich schnell die Hand vor den Mund halten, um ihn nicht gleich wieder auszuspucken. Sie unterdrückte das Lachen, bis sie ihn runterschlucken konnte. »Igitt. Dein Magen ist voll mit Schmetterlingskotze.«
Karou lachte auch und zeichnete weiter. »Eigentlich glaube ich, mein Magen ist voll mit toten Schmetterlingen. Kaz hat sie alle umgebracht.«
Sie schrieb:
Papilio stomachus: zerbrechliche Kreaturen, wehrlos gegen Kälte und Verrat.
»Na und?«, sagte Zuzana. »Die Schmetterlinge waren bestimmt ganz schön dämlich, wenn sie auf ihn reingefallen sind. Bald wachsen dir neue mit mehr Verstand. Neue,
kluge
Schmetterlinge.«
Karou liebte Zuzana dafür, dass sie solche albernen Ideen mit ihr ewig weiterspinnen konnte. »Genau.« Sie hob ihre
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