Daughter of Smoke and Bone
Teetasse, um einen Toast auszubringen. »Auf eine neue Generation von Schmetterlingen, die hoffentlich schlauer ist als die letzte.« Vielleicht wuchsen sie in diesem Moment schon in ihren fetten kleinen Kokons heran. Oder auch nicht. Sie konnte sich kaum vorstellen, irgendwann in nächster Zeit dieses magische Kribbeln im Bauch zu spüren. Am besten dachte sie gar nicht darüber nach. Sie brauchte das Gefühl nicht. Sie
wollte
es nicht brauchen. Wenn sie sich der Sehnsucht nach Liebe hingab, kam sie sich vor wie eine Katze, die den Leuten ständig um die Beine strich und miaute:
Streichel mich, streichel mich, hier bin ich, hab mich lieb.
Sie wäre lieber die Katze, die mit undurchschaubarem Gesicht gelassen von einer hohen Mauer herunterblickte. Die Katze, die nicht gestreichelt werden wollte, die niemanden brauchte. Warum konnte sie nicht so eine Katze sein?
Sei so eine Katze!!!
, schrieb sie und malte die Katze unten in die Ecke, cool und unnahbar.
Karou wäre gern eins dieser Mädchen gewesen, die sich selbst genügten, die sich alleine wohlfühlten. Aber so war sie nicht. Sie war einsam, und sie hatte Angst, dass die Leere in ihrem Innern alles, was sie sonst ausmachte, irgendwann verschlingen könnte. Sie sehnte sich nach einem Mann an ihrer Seite, der ihr Halt gab. Nach Fingerspitzen, die ihr sacht über den Hals strichen, und einer Stimme, die in der Dunkelheit auf ihre traf. Nach jemandem, der mit einem Schirm auf sie wartete und sie durch den Regen nach Hause begleitete, der strahlte wie Sonnenschein, wenn er sie sah. Der auf dem Balkon mit ihr tanzte, seine Versprechen hielt und ihre Geheimnisse kannte. Der eine kleine Welt um sie herum erschuf, die nur sie und ihn umschloss, seine Arme und ihren Körper, sein Flüstern und ihr Vertrauen.
Die Tür ging auf. Sie sah in den Spiegel und unterdrückte einen Fluch. Hinter ein paar Touristen schlüpfte der geflügelte Schatten herein. Widerwillig stand Karou auf und ging zu den Toiletten, wo sie Kishmishs Botschaft entgegennahm. Wieder bestand sie nur aus einem einzigen Wort. Doch diesmal war das Wort:
Bitte.
Bitte
Bitte?
Brimstone sagte nie bitte. Während Karou durch die Stadt eilte, machte sie sich mehr Sorgen, als wenn auf dem Zettel etwas Bedrohliches gestanden hätte wie:
Sofort, sonst
setzt’s was.
Issa war erschreckend still, als sie sie hereinließ, was Karou gar nicht von ihr kannte.
»Was ist los, Issa? Krieg ich Ärger?«
»Bleib ruhig. Komm einfach rein und versuch, heute nicht so streng mit ihm zu sein.«
»Streng
mit ihm
?« Karou blinzelte. Sie hatte gedacht, dass sie diejenige war, die Strenge zu befürchten hatte.
»Du setzt ihm manchmal ganz schön zu. Als hätte er es nicht schon schwer genug.«
»Was ist denn so schwer?«
»Sein Leben. Seine Arbeit. Seine Arbeit ist sein Leben. Es ist trist, es ist erbarmungslos, und manchmal machst du es noch schwerer, als es sowieso schon ist.«
»Ich?« Karou war verblüfft. »Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt, Issa? Ich hab keine Ahnung, wovon du redest …«
»Bleib ruhig, habe ich gesagt. Ich möchte nur, dass du versuchst, nett zu sein, wie als du klein warst. Du hast uns allen so viel Freude gemacht, Karou. Ich weiß, dass dieses Leben nicht einfach für dich ist, aber denk daran, denk immer daran, dass du nicht die Einzige bist, die Probleme hat.«
Und damit öffnete sich die innere Tür, und Karou trat über die Schwelle. Sie war verwirrt und bereit, sich zu verteidigen, doch als sie Brimstone sah, vergaß sie alles andere.
Er stütze sich schwer auf seinen Tisch, den großen Kopf in die eine Hand gelegt, während die andere den Wunschknochen an seinem Hals umfasste. Kishmish hüpfte aufgeregt von einem Horn aufs andere und zwitscherte voller Besorgnis auf ihn ein. Karou blieb wie angewurzelt stehen. »Ist … ist alles in Ordnung?« Sich nach Brimstones Befinden zu erkundigen fühlte sich komisch an, und ihr wurde klar, dass sie ihn zwar ihr ganzes Leben lang mit Fragen gelöchert, aber ihm diese hier noch nie gestellt hatte. Es hatte nie Grund dazu gegeben – er zeigte selten auch nur eine Spur von Gefühlen, ganz zu schweigen von Schwäche oder Erschöpfung.
Er hob den Kopf, ließ den Wunschknochen los und sagte schlicht: »Du bist gekommen.« Seine Stimme klang überrascht und, wie Karou schuldbewusst feststellen musste, als würde er sich freuen.
Darum bemüht, die Stimmung aufzulockern, sagte sie: »Na, du weißt doch, bitte
ist
das Zauberwort.«
»Ich dachte,
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