Daughter of Smoke and Bone
dir?«
»Nichts«, erwiderte er. »Ich wünsche nie.«
»Was?« Das erschütterte sie. »Nie?« Die ganze Magie, über die er verfügte! »Aber du könntest alles haben, was du willst …«
»Nicht alles. Es gibt Dinge, die größer sind als jeder Wunsch.«
»Was?«
»Die meisten Dinge von Belang.«
»Aber ein Bruxis …«
»Auch ein Bruxis hat seine Grenzen, genau wie jeder andere Wunsch.«
Eine Kolibrimotte flatterte ins Licht, und Kishmish schoss von Brimstones Hörnern, schnappte sie aus der Luft und verschlang sie mit einem Happs – und einfach so, von jetzt auf gleich, war die Kreatur, die gerade noch gelebt hatte, auf einmal tot. Eben war sie noch da, und dann nicht mehr. Karou hatte ein flaues Gefühl im Magen, als sie darüber nachdachte, wie es wäre, selbst so plötzlich nicht mehr zu existieren.
Brimstone beobachtete ihre Reaktion und fügte hinzu: »Ich
hoffe
, aber ich wünsche nicht. Das ist ein großer Unterschied.«
Sie dachte eine Weile darüber nach, worin dieser Unterschied wohl bestand. Wenn ihr einer einfiel, könnte sie Brimstone vielleicht mit ihrer Erkenntnis beeindrucken. Eine Idee bildete sich in ihrem Kopf, und sie bemühte sich, sie in Worte zu fassen. »Hoffnung kommt aus dem Inneren, und Wünsche sind nur Magie.«
»Wünsche sind falsch. Hoffnung ist richtig. Hoffnung hat ihre eigene Magie.«
Karou hatte genickt, als hätte sie ihn verstanden, aber das hatte damals nicht gestimmt und stimmte auch heute nicht, drei Monate nachdem die Portale verbrannt waren und sie somit von ihrem halben Leben abgeschnitten worden war. Mindestens ein Dutzend Mal war sie zu dem Türeingang in Josefov zurückgekehrt. Die Tür war ersetzt, die Wand frisch gestrichen worden, und beides wirkte viel zu sauber, zu neu für die Umgebung. Karou hatte geklopft und hatte gehofft; bis zur Erschöpfung hatte sie gehofft, aber nichts war passiert. Wieder und immer wieder: nichts.
Was für eine Magie es auch sein mochte, die durch Hoffnung bewirkt werden konnte, sie war nichts im Vergleich zu einem guten, soliden Wunsch.
Jetzt stand Karou vor einer anderen Tür, der Tür zu einer Jagdhütte irgendwo in der Pampa von Idaho, und sie machte sich gar nicht erst die Mühe, anzuklopfen. Sie trat sie einfach auf. »Hallo«, sagte sie. Ihre Stimme war gleichzeitig fröhlich und hart, genau wie ihr Lächeln. »Lang nicht mehr gesehen.«
Drinnen sah der Jäger Bain überrascht auf. Er saß am Couchtisch und säuberte gerade sein Gewehr. Als er Karou erkannte, sprang er auf. »Du. Was willst du hier?«
Ekelhafterweise war er oben ohne, so dass sie seinen weißen Schwabbelbauch vor sich hatte, und sein monströser Bart hing in filzigen Büscheln um seine Schultern. Karou konnte ihn vom anderen Ende des Raumes riechen, säuerlich wie ein Mäusenest.
Unaufgefordert betrat sie die Hütte. Sie war ganz in Schwarz gekleidet: eine eng anliegende Wollhose, Stiefel und ein altmodischer Ledermantel mit einem Gürtel um die Taille. Sie hatte sich eine Umhängetasche über die Schulter geworfen, ihre Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden, und sie trug kein Make-up. Sie sah müde aus, und sie war auch müde. »Und? Macht das Töten noch Spaß?«
»Weißt du irgendwas?«, fragte er. »Sind die Türen wieder offen?«
»Oh. Nein. Nichts dergleichen.« Karou gab sich Mühe, ganz locker zu klingen, als wollte sie ihm nur einen freundlichen Besuch abstatten. Natürlich war das eine Farce. Selbst als sie noch Aufträge für Brimstone erledigt hatte, hatte sie Bain nie Besuche abgestattet. Er war immer selbst in den Laden gekommen.
»Du warst nicht leicht zu finden.« Er hatte sich so völlig abgeschottet, dass nicht einmal das Internet von seiner Existenz wusste. Karou hatte mehrere Wünsche verbraucht, um ihn aufzuspüren – niedere Wünsche, die sie von anderen Händlern aufgetrieben hatte.
Sie sah sich in dem Raum um. Eine karierte Couch, glasäugige Elchköpfe an der Wand und ein Kunstledersessel, der von Klebeband zusammengehalten wurde. Vor dem Fenster brummte ein Generator, und das Zimmer wurde von einer nackten Glühbirne beleuchtet. Karou schüttelte den Kopf. »Hat Gavriels zur Verfügung und lebt in so einem Loch. Männer.«
»Was willst du?«, fragte Bain argwöhnisch. »Willst du Zähne?«
»Ich? Nein.« Sie ließ sich auf der Kante des Sessels nieder. Mit dem gleichen fröhlichen, harten Lächeln sagte sie: »Nein, ich will keine
Zähne
.«
»Was dann?«
Karous Lächeln verschwand, als hätte jemand
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