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Daughter of Smoke and Bone

Daughter of Smoke and Bone

Titel: Daughter of Smoke and Bone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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dann, urplötzlich, wusste sie es. Sie wusste, wofür die Linien standen. Abrupt zog sie die Hand weg und starrte ihn an, aber er saß einfach nur da, bereit, jedes Urteil anzunehmen, das sie über ihn fällte.
    »So viele hast du getötet«, flüsterte sie. »Das sind tote Chimären.«
    Er leugnete es nicht, sondern blieb vollkommen passiv – wie damals, als sie ihn angegriffen und er sich nicht verteidigt hatte. Seine Hände blieben, wo sie waren, regungslos wie eine Statue, und Karou wusste, dass er gegen den Drang ankämpfte, sie zu verbergen.
    Ihre eigenen Hände zitterten, als sie daran dachte, dass sie auf einem Finger allein schon zwanzig Striche gezählt hatte. »So viele«, stieß sie entsetzt aus. »So viele hast du getötet.«
    »Ich bin Soldat.«
    Karou stellte sich vor, er hätte ihre kleine Chimärenfamilie getötet, und presste hastig die Hand auf den Mund, weil sie befürchtete, sie müsste sich übergeben. Er hatte ihr vom Krieg erzählt, aber der Schrecken hatte sich in einer anderen Welt ereignet. Akiva hingegen war real, er saß ihr gegenüber, und ebenso real war die Tatsache, dass er ein Mörder war. Wie die Zähne auf Brimstones Tisch standen all diese Linien für Blut und Tod – nicht für Blut und Tod von Wölfen oder Tigern, sondern von Chimären.
    Sie musterte ihn durchdringend, fixierte ihn regelrecht, und da geschah etwas Merkwürdiges. Es war, als würde der Moment wie eine Eierschale zerspringen und in seinem Inneren einen anderen Moment offenbaren, der fast nicht davon zu unterscheiden war – fast! –, aber dann war er auch schon wieder vorüber, und alles war wie zuvor. Akiva war der Gleiche, nichts war passiert, nur dieser flüchtige Einblick …
    »Es sind mehr geworden«, hörte Karou sich wie von weit weg sagen.
    »Was?« Akiva starrte sie verständnislos an, bevor die Erkenntnis wie ein Blitz einschlug. Mit einem Ruck, die Augen weit und funkelnd, beugte er sich vor, so plötzlich, dass sein Tee überschwappte.
»Was?«
, wiederholte er lauter.
    Karou wich zurück, aber Akiva packte ihre Hand. »Was meinst du damit, es sind mehr geworden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Mehr Linien«, hatte sie sagen wollen, aber im gleichen Augenblick hatte sie etwas gesehen. Da war der reale Akiva gewesen, so, wie er jetzt vor ihr saß, und gleichzeitig war ein unmögliches Bild vor ihrem inneren Auge aufgeblitzt: Akiva mit einem Lächeln im Gesicht. Keine grimmig verzogenen Lippen, sondern ein warmes Lächeln, so schön, dass es weh tat, mit Fältchen in den Augenwinkeln und fröhlich glitzernden Augen. Der Unterschied war enorm. Mit seinem ernsten Gesichtsausdruck war er schön, aber mit einem Lächeln war er absolut umwerfend.
    Doch Karou hätte schwören können, dass er nicht
wirklich
gelächelt hatte.
    Und auf den Händen dieses unmöglichen Akiva, der nur für einen kurzen Augenblick existiert hatte, waren weniger Linien gewesen, manche Finger waren sogar völlig frei davon.
    Ihre Hand lag immer noch in seiner, in der Pfütze Tee, die er verschüttet hatte. Die Kellnerin kam an ihren Tisch und blieb mit gezücktem Geschirrtuch unsicher stehen. Karou entzog Akiva ihre Hand und lehnte sich zurück, um ihr Platz zu machen. Als die Pfütze weggewischt war, fragte die Kellnerin zögerlich: »Wie habt ihr das gemacht?«
    Verwundert sah Karou sie an. Die Kellnerin war ein Mädchen etwa in ihrem Alter, mit runden, geröteten Wangen. »Letzte Nacht«, erklärte sie. »Wie seid ihr geflogen?«
    Ach,
davon
sprach sie! »Du warst also dabei?«, fragte Karou. Ein seltsamer Zufall.
    »Schön wär’s«, antwortete das Mädchen. »Ich hab euren Auftritt im Fernsehen gesehen. Er kam den ganzen Morgen in den Nachrichten.«
    »Oh!« Karou holte ihr Handy aus der Tasche und checkte das Display. Unmengen von verpassten Anrufen und Nachrichten leuchteten ihr entgegen, die meisten von Zuzana und Kaz.
Scheiße.
    »Wart ihr angeseilt?«, wollte die Kellnerin wissen. »Man hat keine Seile gefunden.«
    »Nein, wir hatten auch keine«, antwortete Karou. »Wir sind wirklich geflogen.« Und sie lächelte, wie sie es sich für solche Situationen angewöhnt hatte.
    Das Mädchen lächelte zurück, als hätte Karou sie in einen geheimen Scherz eingeweiht.
    »Dann verrat es mir eben nicht«, sagte sie gespielt ärgerlich, und nachdem sie Akiva frischen Tee gebracht hatte, ließ sie die beiden Gäste in Ruhe.
    Er saß immer noch zurückgelehnt da und beäugte Karou mit jener wachsamen, suchenden Skepsis, die ihr

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