Daughter of Smoke and Bone
Ist auch nicht nötig, das sieht ja ein Blinder. Natürlich ist er in dich verliebt. Schau ihn dir doch bloß mal an. Wenn du nicht aufpasst, wird er dich mit seinen abgefahrenen Augen noch abfackeln.«
Es fühlte sich wirklich so an, das musste Karou zugeben. Aber
Liebe
? »Das ist absurd.«
»Willst du wissen, was absurd ist?«, fragte Zuzana, ohne den Blick von Akiva zu wenden, der offensichtlich nicht wusste, was er von ihrer Begutachtung halten sollte. »Sein Haaransatz ist absurd. Himmel! Da wird einem schmerzhaft bewusst, wie wenige spitze Haaransätze es nur noch gibt. Wir könnten sein Sperma benutzen, um Menschen mit spitzen Haaransätzen zu züchten.«
»Mein Gott. Hörst du jetzt mal auf mit deinen sexuellen Phantasien?«
»Ich meine ja nur«, sagte Zuzana, die Vernunft in Person. »Ich bin verrückt nach Mik, aber das heißt nicht, dass ich nicht meinen Teil zum Fortbestand der spitzen Haaransätze beitragen möchte. Dem Genpool zuliebe. Das würdest du doch auch, oder? Oder vielleicht …« Sie warf Karou einen Seitenblick zu. »Hast du es schon getan?«
»Was?« Karou war fassungslos. »Nein! Wofür hältst du mich?« Sie war sicher, dass Akiva nichts von ihrem Gespräch verstand, aber um seine Mundwinkel zuckte es so verdächtig, und als er sich erkundigte, was Zuzana gesagt hatte, lief Karou feuerrot an.
»Nichts«, antwortete sie ihm in der Sprache der Chimären. Auf Tschechisch fügte sie in strengem Ton hinzu: »Sie hat nichts gesagt. Gar nichts.«
»Hab ich wohl!«, rief Zuzana, und wie ein Kind, das mit seinen Albernheiten die gewünschte Reaktion heraufbeschworen hat, wiederholte sie fröhlich: »Sex! Sperma!«
»Zuze, hör auf, bitte«, flehte Karou, hilflos und unendlich froh, dass Akiva kein Tschechisch konnte.
»Na gut«, lenkte ihre Freundin ein. »Ich kann auch höflich sein. Höre und staune.« Sie sprach Akiva direkt an. »Willkommen in unserer Welt«, verkündete sie mit übertriebenem Gehabe. »Wir hoffen, dass Sie Ihren Aufenthalt genießen.«
Als Karou das übersetzte, musste sie sich ein Grinsen verkneifen.
»Danke.« Akiva nickte. »Kannst du ihr bitte sagen, dass ihre Vorstellung sehr schön war?«, bat er Karou.
Karou tat wie geheißen. »Ich weiß«, stimmte Zuzana zu. Das war ihre Standardreaktion auf ein Kompliment, aber Karou konnte sehen, dass sie sich freute. »Es war Karous Idee.«
Den letzten Teil übersetzte Karou nicht. »Sie ist eine phantastische Künstlerin«, sagte sie stattdessen.
»Genau wie du«, bemerkte Akiva, und damit war Karou an der Reihe, sich zu freuen.
Sie erzählte ihm, dass sie eine Kunstakademie besuchten, und er erwiderte, dass es so etwas in seiner Welt nicht gab; dort ginge man immer bei jemandem in die Lehre. Karou erklärte daraufhin, dass Zuzana eine Art Lehrling war, und aus einer Familie von Kunsthandwerkern stammte, und fragte ihn, ob er aus einer Familie von Soldaten kam. »In gewisser Hinsicht, ja«, antwortete er. Seine Geschwister waren Soldaten, und auch sein Vater war zu seiner Zeit Soldat gewesen. Er sprach das Wort »Vater« in bitterem Ton aus, und sie ahnte ein ungutes Verhältnis, aber hakte nicht nach. Stattdessen kehrten sie zurück zum Thema Kunst, und auch wenn Karou die Beiträge ab und an filtern musste – obwohl Zuzana ihr bestes Benehmen an den Tag legte, mussten viele ihrer Bemerkungen gefiltert werden –, verlief das Gespräch ausgesprochen gut. Zu gut, fand Karou.
Warum fiel es ihr so leicht, mit diesem Seraph zu lachen? Hatte sie die flammenden Portale und Kishmishs verbrannten Körper, seinen rasenden Herzschlag, der in ihrer Hand verklungen war, etwa schon vergessen? Sie musste sich immer wieder daran erinnern und sich zur Besinnung rufen, aber sobald sie Akiva ansah, drohten ihr alle Vorsicht und Selbstbeherrschung zu entgleiten.
Nach einem Moment des Schweigens meinte Akiva mit einem Nicken in Zuzanas Richtung: »Sie ist eigentlich gar nicht besonders furchterregend. Ich habe mir umsonst Sorgen gemacht.«
»Du hast eben eine entwaffnende Wirkung auf Menschen«, entgegnete Karou.
»Ach ja? Und warum hat sie gestern nicht auf dich gewirkt?«
»Ich hatte mehr Grund, dagegen anzukämpfen. Ich muss in Erinnerung behalten, dass wir Feinde sind.«
Auf einmal war es, als würde ein Schatten über sie hinwegziehen. Akivas Gesicht versteinerte wieder, und er zog die Hände unter den Tisch, so dass sie seine Tattoos nicht mehr sehen konnte.
»Was hast du gerade zu ihm gesagt?«, fragte Zuzana
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