DavBen-StaderDie
bei Tageslicht verschwunden.
Die Tür ging auf, die Deutschen brüllten, wir sollten uns bewegen, und die eng aneinandergedrängten Bauern lösten sich voneinander. Ich sah, wie sich der alte Edik mit dem gichtigen Zeigefinger ein Nasenloch zuhielt und einen Schleimklumpen auf den Boden schnäuzte, der nur knapp das Gesicht eines Mannes verfehlte.
»Ach ja«, brummte Kolja und wickelte sich den Schal um den Hals, »da wünscht man sich doch, man wäre mit den Genossen Bauern auf einer Kolchose aufgewachsen.«
Als die Gefangenen hintereinander hinauszugehen begannen, stieß ein Mann am anderen Ende des Schuppens einen Schrei aus. Die umstehenden Männer drehten sich um, um zu sehen, was ihn erschreckt hatte, und gleich darauf flüsterten sie aufgeregt miteinander. Von unserem Platz aus konnten wir nur die Rücken der Bauern sehen. Kolja und ich standen auf, wollten wissen, was da los war. Vika ging gleichgültig Richtung Tür.
Wir traten zu der Gruppe auf der anderen Seite des Schuppens, schoben uns um die murmelnden Bauern herum und sahen einen Mann auf dem Boden liegen. Den Mann, der Markow denunziert hatte, die Kehle aufgeschlitzt, der Körper längst ausgeblutet, das Gesicht kalkweiß. Er muss im Schlaf ermordet worden sein, sonst hätten wir ihn schreien hören, aber er hatte nur die Augen aufgerissen, als das Messer seine Haut durchschnitt; sie waren aus ihren Höhlen getreten, starrten entsetzt in unsere nach unten gewandten Gesichter.
Einer der Bauern zerrte dem Toten die Stiefel vom Leib; ein zweiter nahm sich seine Lammfellhandschuhe; ein dritter zog den geprägten Ledergürtel aus den Schlaufen seiner Hose. Kolja bückte sich und schnappte die Daunenmütze, bevor es ein anderer tat. Ich drehte mich nach Vika um, die gerade ihre Kaninchenfellmütze zurechtrückte, sie tiefer in die Stirn zog. Sie blickte mich kurz an und ging zur Tür hinaus. Gleich darauf kam ein deutscher Gebirgsjäger herein, wütend über die Verzögerung, bereit, seine Waffe abzufeuern. Er sah den Leichnam, die klaffende Kehle, die Blutlache, die unter dem Rücken des Toten begann und sich wie zwei monströse schwarze Flügel über die Bodenbretter ausbreitete. Der Mord irritierte den Gebirgsjäger - die Sache musste den Offizieren gemeldet werden. Er stellte auf Deutsch eine Frage, die mehr an ihn selbst als an uns gerichtet war, ohne eine Antwort darauf zu erwarten. Kolja räusperte sich und sagte etwas. Ich konnte Koljas Deutsch nicht beurteilen, aber der Gebirgsjäger schien erstaunt zu sein, seine eigene Sprache aus dem Mund eines Gefangenen zu hören.
Der Deutsche schüttelte den Kopf, gab eine knappe Antwort und bedeutete uns mit dem Daumen, den Schuppen zu verlassen. Als wir draußen waren, fragte ich Kolja, was er gesagt hatte.
»Ich habe ihm gesagt, dass die Bauern die Juden noch mehr hassen als er und seine Leute.« »Und was hat er geantwortet?«
»>Alles muss seine Ordnung haben.< Typisch deutsch.« Er versuchte, die neue Mütze seinem Kopf anzupassen; sie war ihm eigentlich zu klein, aber es gelang ihm, die Ohrenklappen so weit herunterzuziehen, dass er sie zubinden konnte.
»Hältst du es für klug, die wissen zu lassen, dass du Deutsch sprichst? Nach allem, was gestern passiert ist?«
»Nein, ich halte es sogar für gefährlich. Aber wenigstens werden sie jetzt keine Fragen mehr stellen.«
Die Gefangenen mussten hintereinander in einer Reihe antreten; dann schlurften wir, in der hellen Morgensonne blinzelnd, auf einen ungeschlachten, verkaterten Gebirgsjäger zu, dessen Augen noch schlafverkrustet waren und der jedem von uns einen e inzelnen runden Zwieback aushän digte, so hart und trocken wie ein Stück Kohle.
»Ein gutes Zeichen«, murmelte Kolja und tippte mit dem Fingernagel auf seinen Zwieback.
Kurz darauf marschierten wir mit der Gebirgsjägerkompanie Richtung Süden, die Köpfe gegen den Wind eingezogen. An dem Tag gingen wir auf der Straße, obwohl das Pflaster unter den festgefahrenen Schneeschichten nicht zu sehen war. Einige Kilometer vom Schulhaus entfernt kamen wir an einem Wegweiser nach Mga vorbei, und ich machte Kolja darauf aufmerksam.
»Hm. Welcher Tag ist heute?«
Ich musste gut überlegen, zählte im Kopf bis Samstag zurück. »Mittwoch. Morgen sollen wir mit den Eiern erscheinen.«
»Mittwoch ... Dann habe ich dreizehn Tage lang nicht scheißen können. Dreizehn Tage ... Was passiert eigentlich mit dem ganzen Zeug? Es ist ja nicht so, als ob ich nichts gegessen hätte.
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