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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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setzt, warte ich, bis Abendroth kurz vor mir ist, und schieße. Dürfte nicht allzu schwer sein.«
    Ich blickte die Straße hinauf und hinunter. Wir standen mitten in einem, wie mir schien, ganzen Bataillon, umgeben von Aberhundert bewaffn eten Deutschen zu Fuß und in ge panzerten Fahrzeugen. Vikas Vorhaben bedeutete, dass wir in wenigen Minuten sterben würden, gleichgültig, ob sie ihr Ziel traf oder nicht.
    »Ich schieße«, sagte Kolja. »Du und Lew stellt euch da drüben zu den schwachsinnigen Deppen von den Kolchosen. Wir müssen ja nicht gleich alle dabei draufgehen.«
    Vika verzog die Lippen zu ihrem andeutungsweisen Lächeln und schüttelte den Kopf. »Ich bin der bessere Schütze.«
    »Du hast mich noch nicht schießen sehen.«
    »Stimmt. Aber ich bin besser.«
    »Das ist doch jetzt egal«, sagte ich. »Ihr könnt ja beide schießen, aber was ist dann? Glaubt ihr vielleicht, die lassen auch nur einen von uns am Leben?«
    »Da ist was dran«, sagte Kolja. Er besah sich die Analphabeten um uns herum, die von einem Fuß auf den anderen traten und die Hände zusammenschlugen, damit sie warm blieben, die meisten von ihnen Bauern, die noch nie mehr als ein paar Kilometer über ihre Kolchosen hinausgekommen waren. Unter ihnen befanden sich auch ein paar Soldaten der Roten Armee. Ich war überzeugt, dass der eine oder andere von ihnen genauso gut lesen konnte wie ich.
    »Wie viele Gefangene haben sie gesagt? Achtunddreißig?«
    »Jetzt siebenunddreißig«, sagte Vika. Sie merkte, dass ich sie anstarrte und starrte mit ihren erbarmungslosen blauen Augen zurück. »Was glaubst du wohl, wie lange es dauert, bis einer von denen merkt, dass dir da unten« - sie deutete auf meinen Schritt - »was fehlt und dich für einen Teller Suppe denunziert?«
    »Siebenunddreißig ... Fast zu viele, um sie für einen ein zigen Deutschen zu opfern«, sagt Kolja.
    »Siebenunddreißig Gefangene auf dem Marsch in die Stahlwerke? Für Russland zählen die nicht mehr«, sagte sie in ihrem ruhigen, ausdruckslosen Ton. »Das sind jetzt deutsche Arbeitskräfte. Und Abendroth ist jedes Opfer wert.«
    Kolja nickte, linste nach hinten zu dem Kommandeurswagen.
    »Du willst damit sagen, dass wir in diesem Spiel Bauern sind, und er ist ein Turm.«
    »Wir sind weniger als Bauern. Beim Schach haben selbst Bauern einen Wert.«
    »Vor allem wenn sie einen Turm schlagen.«
    Noch während Kolja das sagte, blinzelte er plötzlich und sah mich an. Ein gewisses Lächeln blitzte auf, und sein ganzes Kosakengesicht strahlte angesichts einer brillanten neuen Idee.
    »Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit. Wartet mal einen Moment.«
    »Was hast du vor?«, fragte Vika, aber es war zu spät; er ging bereits auf die nächste Gebirgsjägergruppe zu. Die Deutschen kniffen die Augen zusammen, als sie ihn kommen sahen, und legten den Finger an den Abzugsbügel, doch Kolja nahm die Hände hoch und begann mit ihnen in ihrer Muttersprache zu schwatzen, so fröhlich und entspannt, als hätten sie sich alle versammelt, um eine Parade anzuschauen. Eine Minute später lachten sie bereits über irgendwelche Witze, die er ihnen erzählte. Einer der Gebirgsjäger ließ ihn sogar einen langen Zug an seiner Zigarette tun.
    »Er hat Charme«, sagte Vika. Sie klang wie ein Entomologe, der über den Hautpanzer eines Käfers spricht.
    »Die halten ihn wahrscheinlich für ihren lange verloren geglaubten, arischen Bruder.« »Ihr zwei seid schon ein merkwürdiges Paar.« »Wir sind kein Paar.«
    »Das habe ich nicht gemeint. Keine Angst, Ljowa. Ich weiß, dass du auf Frauen stehst.«
    Mein Vater hatte mich Ljowa genannt, und als ich diesen Kosenamen aus ihrem Mund hörte - so unerwartet, aber so selbstverständlich, als würde sie mich schon seit Jahren so nennen -, hätte ich heulen können.
    »Er hat dich vorhin wütend gemacht, stimmt's? Als er das mit dem Nacktausziehen gesagt hat.«
    »Der redet einen Haufen dummes Zeug.«
    »Dann möchtest du mich also nicht nackt sehen?«
    Vika hatte wieder dieses höhnische Lächeln im Gesicht, stand breitbeinig da, die Hände in die Taschen ihres Tarnanzugs gerammt.
    »Keine Ahnung.« Natürlich war das eine dumme und feige Antwort, aber ich kam mit den Höhen und Tiefen dieses Morgens einfach nicht zurecht. Im einen Moment dachte ich, ich hätte nur noch wenige Minuten zu leben, und im nächsten begann eine Scharfschützin aus Archangelsk mit mir zu flirten. Flirtete sie wirklich mit mir? Die Tage waren zu einem wilden

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