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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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war als Kom pliment gemeint.
    »Aber das ist meine bessere Hälfte«, erwiderte ich. Vika lachte. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht gewusst, dass sie überhaupt lachen konnte, und es klang seltsam, aber nicht, weil ihr Lachen irgendwie merkwürdig gewesen wäre. Sie lachte nur wie ein ganz normales Mädchen.
    »Was hast du vor dem K rieg gemacht?«, fragte ich sie.
    »Ich habe studiert.«
    »Mm«, sagte Kolja. Ich hatte gehofft, dass er einschlafen würde, aber er klang hellwach, bereit, ein langes Gespräch zu führen. »Ich auch. Was hast du studiert? Landwirtschaft?«
    »Wieso Landwirtschaft?«
    »Kommst du nicht aus einer Kolchose?«
    »Sehe ich aus, als käme ich aus einer Scheißkolchose? Ich bin aus Archangelsk.«
    »Ah, ein Mädchen aus dem Norden! Das erklärt alles.« Er stieß mir den Ellbogen in die Rippen. »Dann gehört sie zur Wikingerbrut. Du besuchst da oben also die Universität? Und studierst Baumharze und Biber?«
    »Astronomie.«
    »Ich selbst habe Literatur belegt. Universität Leningrad.«
    Er ließ sich noch einige Minuten über Schtschedrin und Turgenjew und ihre Schwächen aus, bevor er abrupt einschlief, die langen Beine vor sich ausgestreckt, was mich zwang, meine eigenen Beine noch enger an die Brust zu ziehen. Die Bauern begannen ebenfalls einzunicken, obwohl ich da und dort noch einige im Flüsterton streiten hörte.
    Die Körperwärme der aneinandergedrängten Männer machte es im Schuppen einigermaßen angenehm. Bevor man uns hineinstieß, war es mir gelungen, eine Handvoll Schnee aufzuheben, den ich in der Dunkelheit lutschen konnte. Ich hatte nichts gegessen seit der Pelztierjägerhütte, wo Kolja und ich uns eine Manteltasche Walnüsse geteilt hatten, die wir aus dem Bauernhaus mitgenommen hatten, aber ein ganzer Tag ohne Nahrung war ja nichts Neues. Während der Belagerung wurden wir in Piter alle zu Hungerexperten, mit unterschiedlichen Methoden, um uns von unserer Misere abzulenken. Daheim in unserer Wohnung im Kirow hatte ich viele hungrige Nächte damit verbracht, Tarraschs Dreihundert Schachpartien zu studieren. »Der Turm gehört hinter die Freibauern«, instruierte er seine Schüler. »Außer wenn dies regelwidrig ist.«
    Da ich kein Schachbuch studieren oder Radio hören konnte, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, um mein Gehirn während des langen Wartens auf den Schlaf zu beschäftigen. Als im Schuppen langsam Ruhe einkehrte, wurde ich mir mehr und mehr des Körpers bewusst, der an meinen gepresst war. Wenn Vika den Kopf bewegte, um an der Ritze zwischen den Wandbrettern frische Luft zu schnappen, streifte ihr Haar mein Gesicht. Sie roch wie ein nasser Hund. Ich war dazu erzogen worden, sehr penibel zu sein - meine Mutter duldete keinen schmutzigen Teller im Spülbecken, kein zusammengeknülltes Handtuch im Bad und kein ungemachtes Bett. Als wir klein waren und sie uns in der Badewanne abseifte, schrubbte sie so kräftig, dass meine Haut hinterher wund war. Manchmal, wenn meine Mutter das Essen für eine Party fertig machte, badete mich mein Vater, und nach der üblichen Tortur war es die reinste Wonne, wenn er mich, abgelenkt durch irgendeine Geschichte, die er gerade erzählte, mit warmem Wasser abspritzte. Ich liebte Die Geschichte von dem schielenden Linkshänder aus Tula und dem stählernen Floh, und er erzählte sie mir wieder und wieder aus dem Gedächtnis.
    Ich wurde dazu erzogen, reinlich zu sein, und es störte mich, wenn andere es nicht waren, wenn die Antokolski-Zwillinge Trauerränder unter den Fingernägeln hatten oder ein Lehrer in der Schule einen Suppenfleck auf dem Kragen hatte. Doch Vikas Hundegeruch beleidigte meine Nase nicht. Zu diesem Zeitpunkt starrten wir natürlich alle vor Dreck - ich muss selbst gestunken haben wie ein halb verrotteter Fisch -, doch in ihrem Fall hatte es nichts damit zu tun, dass ich gegen üble Gerüche immun geworden war. Die Ausdüns tungen ihres Körpers weckten in mir schlicht den Wunsch, Vika abzulecken.
    »Glaubst du wirklich, dass sie uns nach Estland bringen?«, fragte ich sie. An Vika zu denken hatte mich von meinem Hunger abgelenkt; nun brauchte ich etwas, um mich von meiner Ablenkung abzulenken. Ich saß nicht bequem genug da, um an das zu denken, woran ich dachte.
    »Keine Ahnung.«
    »Ich war noch nie in Archangelsk. Bestimmt ist es da oben sehr kalt.«
    Da sie keine Antwort gab, z og ich in der eintretenden Stil le die Möglichkeit in Betracht, dass ich ein sehr langweiliger Mensch war. Wer

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