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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Durcheinander von Katastrophen geworden; was am Nachmittag undenkbar erschien, war am Abend bereits eine schlichte Tatsache. Deutsche Leichen fielen vom Himmel; Kannibalen verkauften auf dem Heumarkt Wurstringe aus Menschenfleisch; Wohnblöcke stürzten ein; Hunde wurden zu Bomben; erfrorene Soldaten wurden zu Wegweisern; ein Partisan, dem das halbe Gesicht fehlte, stand schwankend im Schnee und starrte traurigen Blickes auf seine Mörder. Ich hatte kein Essen im Magen, kein Fett auf den Knochen und keine Kraft, über diese Folge von Ungeheuerlichkeiten nachzudenken. Ich konnte nur weitermachen und hoffen, dass ich irgendwo eine halbe Scheibe Brot für mich selbst und ein Dutzend Eier für die Tochter des Obersts auftrieb.
    »Er hat mir erzählt, dass dein Vater ein berühmter Dichter war.«
    »Ganz so berühmt war er nicht.«
    »Willst du auch Dichter werden?«
    »Nein. Dazu habe ich kein Talent.«
    »Wozu hast du denn Talent?«
    »Keine Ahnung. Nicht jeder hat Talent.«
    »Das stimmt. Obwohl man uns etwas anderes eingeredet hat.«
    Allem Anschein nach hielt Kolja den im Halbkreis um ihn versammelten Gebirgsjägern gerade einen großspurigen Vortrag, wobei er seine Sätze mit ausladenden Handbewegungen unterstrich. Er deutete auf mich, und es schnürte mir die Kehle zu, als sich die deutschen Soldaten umdrehten und zu mir hersahen, neugierig und amüsiert.
    »Was zum Teufel erzählt er denen bloß?«
    Vika zog die Schultern hoch. »Wenn er nicht aufpasst, wird er noch erschossen.«
    Die Gebirgsjäger schienen unschlüssig zu sein, doch Kolja beschwatzte sie so lange, bis schließlich einer von ihnen, kopfschüttelnd, als könnte er einfach nicht glauben, was dieser verrückte Russe da von sich gab, den Riemen seiner MP40 zurechtrückte und zum hinteren Ende des Konvois eilte. Kolja nickte den übrigen Männern um ihn herum zu, machte einen letzten Witz, dass alle wieder grinsen mussten, und kam zu uns zurückgeschlendert.
    »Die Nazis sind ja ganz hingerissen von dir«, sagte Vika. »Hast du aus Mein Kampf zitiert?« »Hab das Buch mal zu lesen versucht. Stinklangweilig.« »Was hast du zu ihnen gesagt?«
    »Ich habe gesagt, dass ich Herrn Abendroth eine Wette anzubieten habe. Dass mein Freund hier, ein fünfzehnjähriges Bürschchen von der weniger vornehmen Seite von Leningrad, Schach spielen kann und den Sturmbannführer selbst ohne Dame schlägt.«
    »Ich bin siebzehn.«
    »Na und? Fünfzehn ist noch viel beleidigender.«
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte Vika, die Kolja mit schief gelegtem Kopf betrachtete in der Erwartung, dass er lächeln und sagen werde, nichts dergleichen getan zu haben.
    »Kein Witz.«
    »Meinst du nicht, dass er sich fragen wird, woher du weißt, dass er hier ist? Woher du seinen Rang kennst und weißt, dass er Schach spielt?«
    »Ganz bestimmt fragt er sich das. Und das wird ihn neugierig machen, und das wird ihn veranlassen, zu uns zu kommen.«
    »Wie lautet die Wette?«, fragte ich ihn.
    »Wenn er gewinnt, kann er uns auf der Stelle erschießen.« »Der kann uns erschießen, wann immer er will, du Trottel.«
    »Das haben die Gebirgsjäger auch gesagt. Klar kann er das. Aber ich habe ihnen erklärt, dass der Sturmbannführer ein Ehrenmann ist, ein Mann mit Grundsätzen. Ich habe ihnen erklärt, dass ich seinem Wort vertraue und dass ich auf seinen Sportsgeist vertraue. Die haben es doch so mit diesem Blut - und-Ehre-Scheiß.«
    »Was bekommen wir, wenn ich gewinne?«
    »Erstens, er lässt uns drei frei.« Er sah unsere Mienen und schnitt uns das Wort ab, bevor wir etwas sagen konnten. »Ich weiß, ihr haltet mich für bescheuert, dabei seid ihr diejenigen, die schwer von Begriff sind. Ist doch klar, dass wir nicht jetzt spielen können, wo der Konvoi unterwegs ist. Mit etwas Glück findet die Partie heute Abend statt, irgendwo drinnen, weg von alldem da.« Kolja wedelte mit der Hand, deutete auf die deutschen Soldaten, die grüppchenweise zusammenstanden, plauderten und rauchten; auf die Halbkettenfahrzeuge mit den Versorgungsgütern, die schwere Artillerie.
    »Der lässt uns nie und nimmer frei.«
    »Natürlich lässt er uns nicht frei. Aber wir können ihn leichter erschießen. Und falls uns die Götter hold sind, haben wir vielleicht eine Chance, davonzukommen.«
    »Falls uns die Götter hold sind«, äffte Vika Koljas bombastische Ausdrucksweise nach. »Hast du diesen Krieg mal genauer verfolgt?«
    Die Mechaniker hatten die Kette der Selbstfahrhaubitze wieder aufgelegt. Der

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