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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Futteral ab, das um meine Wade geschnallt war, und gab es dem Oberst. Er betrachtete das deutsche Leder.
    »Hast du das die ganze Nacht bei dir gehabt? Hat dich niemand durchsucht?« Er stieß einen leisen Fluch aus, angewidert von so viel Unfähigkeit. »Kein Wunder, dass wir den Krieg verlieren.« Er zog das Messer heraus und studierte die Inschrift. »Blut und Ehre. Ha! Möge Gott die verfluchten Hurensöhne in den Arsch ficken. Kannst du damit umgehen?«
    »Was?«
    »Mit dem Messer. Aufschlitzen«, sagte er und führte die Stahlklinge mit einer ausholenden schlitzenden Bewegung durch die Luft, »ist besser als zustoßen. Schwerer abzuwehren. Geh auf die Kehle los, und wenn das nicht funktioniert, dann auf die Augen oder den Bauch. Der Schenkel ist auch gut, da befinden sich große Adern.« Alle Instruktionen wurden mit kraftvollen Beispielen veranschaulicht. »Und nie innehalten«, sagte er, während er mit blitzender Klinge leichtfüßig näher kam, »nie nachlassen; das Messer immer in Bewegung halten, den Gegner immer in die Defensive drängen.«
    Er steckte das Messer wieder in die Scheide und warf es mir zu.
    »Behalte es. Du wirst es brauchen.«
    Ich sah Kolja an, der mit den Achseln zuckte. Das Ganze war zu merkwürdig, um es zu verstehen, folglich war es sinnlos, mein Gehirn zu strapazieren, herausfinden zu wollen, woran wir waren. Ich kniete mich wieder hin und schnallte das Messer wieder unten um mein Bein.
    Der Oberst war zu den Glastüren gegangen, wo er zusah, wie der gestern gefallene Schnee über die zugefrorene Newa wehte.
    »Dein Vater war der Dichter.«
    »Ja«, gab ich zu, stand stramm und starrte auf den Hinterkopf des Obersts. Seit vier Jahren hatte niemand außerhalb meiner Familie meinen Vater erwähnt. Ich meine das wörtlich. Kein einziges Mal.
    »Der Mann konnte schreiben. Was passiert ist, war ... bedauerlich.«
    Was sollte ich dazu sagen? Ich sah hinunter auf meine Stiefel und wusste, dass Kolja zu mir herschielte, auszuknobeln versuchte, welcher bedauernswerte Dichter mich gezeugt hatte.
    »Ihr beide habt heute noch nichts gegessen«, sagte der Oberst, was keine Frage, sondern eine Feststellung war. »Schwarztee und Toastbrot, wie klingt das? Vielleicht können wir auch irgendwo Fischsuppe auftreiben. Borja!«
    Ein Adjutant betrat den Wintergarten, einen Bleistift hinter das Ohr geklemmt.
    »Besorg Frühstück für die Burschen da.«
    Borja nickte und verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war.
    Fischsuppe. Ich hatte seit dem Sommer keine Fischsuppe mehr gegessen. Der Gedanke daran war so aufregend und exotisch wie eine nackte Frau auf einer Pazifikinsel.
    »Kommt mal her«, sagte der Oberst. Er öffnete eine der hohen Glastüren und trat hinaus in die Kälte. Kolja und ich folgten ihm einen Kiesweg entlang, der durch einen froststarren Garten hinunter zum Flussufer führte.
    Ein junges Mädchen in einem Fuchspelzmantel lief auf der Newa Schlittschuh. In einem normalen Winter sah man am Wochenende Hunderte von jungen Mädchen nachmittags Schlittschuh laufen, aber das war kein normaler Winter. Die Eisdecke war dick und trug schon seit Wochen, aber wer hatte noch die Kraft, Achter zu laufen? Auf dem gefrorenen Schlamm am Rand des Flusses angekommen, starrten Kolja und ich das Mädchen an, wie du einen Affen anstarren würdest, der auf der Straße Einrad fährt. Sie war auf eine sonderbare Art hübsch, das dunkle Haar in der Mitte gescheitelt und zu einem lockeren Knoten zusammengebunden, die windgepeitschten Wangen gerötet und voll und gesund. Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, warum sie so merkwürdig aussah, und dann lag es auf der Hand - sogar von Weitem sah man deutlich, dass das Mädchen gut ernährt wurde. Ihr Gesicht hatte nichts Ausgemergeltes und Verzweifeltes. Sie besaß die ungezwungene Anmut einer Sportlerin; ihre Pirouetten waren eng und schnell; sie kam nie außer Atem. Ihre Schenkel müssen prachtvoll gewesen sein - lang, blass und kräftig -, und zum ersten Mal seit Tagen spürte ich, wie mein Schwanz steif wurde.
    »Sie heiratet nächsten Freitag«, sagte der Oberst. »Einen Schwachkopf, wenn ihr mich fragt, aber was soll's. Er ist Parteifunktionär, er kann sie sich leisten.«
    »Ist das Ihre Tochter?«, fragte Kolja.
    Der Oberst grinste, die weißen Zähne wie ein Riss in seinem Schlägergesicht.
    »Findest du nicht, dass sie mir ähnlich sieht? Nein, nein, in der Hinsicht hat sie Glück gehabt. Sie hat das Gesicht ihrer Mutter und das Naturell ihres

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