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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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versuchte, die Wärme meines Atems dazu zu nutzen, meine Wangen zu wärmen. Kolja schlug die behandschuhten Hände gegeneinander und zog seine schwarze Pelzmütze so tief herunter, dass sie fast seine Augen bedeckte.
    Einige Kilometer östlich von Beresowka kamen wir am Rand eines großen landwirtschaftlichen Anwesens vorbei, dessen wellenförmige schneebedeckte Felder durch niedrige Steinmauern abgegrenzt waren. Heuballen so groß wie Iglus lagen verlassen da, die Ernte unterbrochen, die Bauern nach Osten geflüchtet oder tot. Am anderen Ende der Felder stand ein altes Bauernhaus aus Stein, vom Nordwind durch ein Wäldchen aus fünfzig Meter hohen Fichten geschützt. Der Widerschein eines Feuers fiel durch die Sprossenfenster, warm und buttergelb, ergoss sich auf den Schnee vor dem Haus. Eine schwarze Rauchfahne stieg aus dem Schornstein, die sich als kaum zu erkennende, undeutliche Spirale vom dunkelblauen Himmel abhob. Es wirkte wie das einladendste Haus, das je gebaut worden war, der Landsitz des Lieblingsgenerals des Zaren, gut geheizt und wohlversorgt für Weihnachten mit jedermanns liebstem Rauchfleisch und Kuchen.
    Ich blickte fragend zu Kolja hoch, während wir durch den Schnee stapften. Er schüttelte den Kopf, ohne das Bauernhaus einen Moment aus den Augen zu lassen, und ich sah deutlich seinen sehnsüchtigen Gesichtsausdruck.
    »Keine gute Idee«, sagte er.
    »Aber besser, als auf dem Weg nach Mga zu erfrieren.«
    »Was glaubst du wohl, wer da wohnt? Ein Großgrundbesitzer, der am offenen Kamin sitzt und seinen Hund streichelt? Glaubst du vielleicht, wir sind in einer beschissenen Turgenjew-Erzählung? Jedes Haus hier im Ort wurde niedergebrannt, nur das da steht noch. Warum wohl? Weil die Besitzer Glück hatten? Da drin sind Deutsche, vermutlich Offiziere. Sollen wir das Haus vielleicht mit einer Pistole und einem Messer stürmen?«
    »Wenn wir weitergehen, sind wir tot. Wenn wir hinein gehen und drinnen sind Deutsche, sind wir auch tot. Aber wenn keine Deutschen da sind ...«
    »Angenommen, es sind Russen«, sagte er. »Das bedeutet, dass die Deutschen sie dableiben lassen, was bedeutet, dass sie mit den Deutschen zusammenarbeiten, was bedeutet, dass sie Feinde sind.«
    »Dann können wir uns beim Feind immer noch etwas zu essen beschaffen, stimmt's? Und ein Bett.«
    »Hör zu, Lew. Ich weiß, dass du müde bist. Ich weiß, dass dir kalt ist. Aber vertrau mir, vertrau einem Soldaten, das klappt nicht.«
    »Ich gehe keinen Schritt weiter. Lieber gehe ich das Risiko ein.«
    »Vielleicht gibt es im nächsten Dorf etwas ...«
    »Woher weißt du, ob es überhaupt ein nächstes Dorf gib t . Das letzte war nur noch Asche. Wie weit ist es noch bis Mga, fünfzehn Kilometer? Du kannst es möglicherweise schaffen. Ich nicht.«
    Kolja seufzte, rieb sich mit dem behandschuhten Hand rücken das Gesicht, versuchte, die Durchblutung anzuregen.
    »Ich gebe zu, dass wir es nicht bis Mga schaffen. Darum geht es gar nicht mehr. Das ist mir schon seit Stunden klar.«
    »Du wolltest es mir nur nicht sagen? Wie weit ist es noch?«
    »Sehr weit. Die schlechte Nachricht ist, ich glaube, wir gehen nicht in die richtige Richtung.«
    »Was soll das heißen?«
    Kolja blickte noch immer auf das Bauernhaus, und ich musste ihm einen Schubs geben, damit er mir zuhörte. »Was soll das heißen, wir gehen nicht in die richtige Richtung?«
    »Wir hätten schon vor Stunden die Newa überqueren müssen. Und ich glaube nicht, dass Beresowka an der Bahnlinie nach Mga liegt.«
    »Du glaubst nicht, dass ... Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich wollte nicht, dass du in Panik gerätst.«
    Es war zu dunkel, um den Ausdruck auf seinem blöden Kosakengesicht zu erkennen. »Du hast gesagt, Mga liegt an der Bahnlinie nach Moskau.« »Da liegt es auch.«
    »Du hast gesagt, wir brauchen bloß den Gleisen nach Moskau zu folgen, die bringen uns direkt nach Mga.«
    »Ja, stimmt genau.«
    »Und wo zum Teufel sind wir dann?«
    »In Beresowka.«
    Ich holte tief Luft. Ich sehnte mich nach kräftigen Fäusten, um ihm den Schädel zu Brei zu schlagen.
    »Und die gute Nachricht?«
    »Wie bitte?«
    »Du hast gesagt, die schlechte Nachricht ist, dass wir in die falsche Richtung gehen.«
    »Es gibt keine gute Nachricht. Nur weil es schlechte Nachrichten gibt, muss es nicht zwangsläufig gute Nachrichten geben.«
    Dem war nichts mehr hinzuzufügen, und so begann ich, auf das Bauernhaus zuzugehen. Der Mond ging über den Baumwipfeln auf, der mit Eis überzogene

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