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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verhungern lassen. Aber wir zwei sind wie die Steine von Piter. Einen Stein kann man nicht verbrennen. Einen Stein kann man nicht aushungern.«
    Ich betrachtete die tropfenden Kerzen im Leuchter, betrachtete die tanzenden Schatten an der Decke.
    »Wo hast du denn das her?«, fragte ich ihn schließlich.
    »Was, das mit den Steinen? Von meinem Leutnant. Warum? Beflügelt dich das denn nicht?« »Darauf kann ich verzichten.«
    »Mir gefällt das mit den Steinen. >Einen Stein kann man nicht verbrennen. Einen Stein kann man nicht aushungern.< Das ist gut. Das hat Rhythmus.«
    »Ist das der Leutnant, der auf eine Landmine getreten ist?«
    »Ja. Armer Kerl. Na schön, vergessen wir die Steine. Ich verspreche dir, mein kleiner Löwe, dass wir hier nicht sterben werden. Wir werden ein paar Nazis töten, und wir werden die Eier auftreiben. Ich habe Zigeunerblut in den Adern; ich kann in die Zukunft sehen.«
    »Du hast überhaupt kein Zigeunerblut.«
    »Und ich werde darauf bestehen, dass uns der Oberst zur Ho chzeit seiner Tochter einlädt.«
    »Ha. Du liebst sie.«
    »Ja. Ich glaube, ich habe mich wahrhaftig in dieses Mädchen verliebt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie ein strohdummes Luder, aber ich liebe sie. Ich möchte sie heiraten, und sie braucht nie ein Wort zu sagen. Sie muss nicht für mich kochen; sie muss mir keine Kinder gebären. Nur nackt auf der Newa Schlittschuh laufen, mehr will ich gar nicht. Sich nur über meinem offenen Mund drehen.«
    Für ein paar Sekunden half er mir, die Angst zu vergessen, aber sie verschwand nie für lange. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich einmal keine Angst gehabt hatte, doch in dieser Nacht packte sie mich heftiger denn je. Es gab ja auch gute Gründe, mich zu fürchten. Da war die Möglichkeit, dass ich mich blamierte, mich wieder an den Rand des Geschehens verkroch, während Kolja es mit den Deutschen aufnahm - nur dass ich dieses Mal wusste, dass er sterben würde. Dann die Möglichkeit, leiden zu müssen, ähnlichen Folterqualen ausgesetzt zu sein, wie Soja sie durchlitten hatte, wenn sich die Sägezähne durch meine Haut, meine Muskeln, meine Knochen fraßen. Und natürlich die ausgezeichnete Möglichkeit, zu sterben. Ich habe noch nie verstanden, wie jemand sagen kann, am meisten fürchte er sich davor, eine Rede zu halten, oder vor Spinnen oder irgendwelchen anderen abschreckenden Dingen. Wie kann man etwas mehr fürchten als den Tod? Allem anderen kannst du für kurze Zeit entfliehen: Ein Gelähmter kann noch immer Dickens lesen; ein Demenzkranker könnte Momente absurdester Schönheit erleben.«
    Ich hörte, wie der Bettrost knarzte, und als ich nach oben blickte, sah ich, dass Kolja den Kopf weit vorgebeugt hatte, sodass er mich verkehrt herum anlinste und seine blonden Haare schmutzig und verfilzt herabhingen. Er sah aus, als mache er sich meinetwegen Sorgen, und plötzlich hätte ich am liebsten losgeheult. Der einzige Mensch auf der Welt, der wusste, welche Angst ich hatte, der einzige Mensch, der wusste, dass ich noch am Leben war und dass ich in dieser Nacht sterben konnte, war ein großmäuliger Deserteur, den ich drei Abende davor kennengelernt hatte, ein Wildfremder, ein Kosakensohn, mein letzter Freund.
    »Das wird dich aufmuntern«, sagte er und ließ einen Packen Spielkarten auf meinen Schoß fallen.
    Sie sahen wie ganz normale Spielkarten aus, bis ich sie umdrehte. Auf jeder war eine andere Frau abgebildet, teils nackt, teils mit Hüfthalter und Spitzenkorsett, mit schweren Brüsten, die aus gewölbten Händen quollen, und Lippen, die für die Kamera leicht geöffnet waren.
    »Ich dachte, ich müsste dich beim Schach schlagen, um die zu bekommen.«
    »Geh ja vorsichtig damit um. Und mach mir keine Eselsohren rein. Die kommen nämlich direkt aus Marseille.«
    Er verfolgte, wie ich die Aktfotos durchblätterte, grinste, wenn er merkte, dass ich mir einige der Modelle genauer besah.
    »Was ist mit den Mädchen hier im Haus? Vier Schönheiten. Nach dieser Nacht werden wir Helden sein, ist dir das eigentlich klar? Die vier werden über uns herfallen. Also welche willst du?«
    »Nach dieser Nacht werden wir tot sein.«
    »Wahrlich, mein Freund, du musst wahrlich aufhören, so daherzureden.«
    »Ich glaube, mir gefällt die Kleine mit den drallen Armen.«
    »Galina? Na gut. Sie sieht zwar aus wie ein Kalb, aber na gut, geht in Ordnung.«
    Er schwieg einen Moment, während ich das Foto einer barbusigen Frau betrachtete, die Reithosen trug und mit einer

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