DavBen-StaderDie
langen Peitsche knallte.
»Hör zu, Lew, versprich mir, dass du mit deinem Kälbchen sprichst, wenn das heute Nacht vorbei ist. Lauf nicht davon wie ein schüchterner kleiner Junge, der du nun mal bist. Ich meine das ganz im Ernst. Sie mag dich. Ich habe gesehen, wie sie dich angeschaut hat.«
Ich wusste mit Sicherheit, dass Galina nicht mich angeschaut hatte. Sie hatte Kolja angeschaut, genau wie die anderen Mädchen und wie er genau wusste.
»Und was ist mit deiner geflissentlichen Nichtbeachtung? Du hast gesagt, in Der Hofhund steht, das Geheimnis, eine Frau zu erobern ...«
»Es ist ein großer Unterschied, ob man eine Frau ignoriert oder ob man sie bezirzt. Du bezirzt sie mit deiner Undurchschaubarkeit. Sie möchte, dass du ihr nachstellst, aber du entziehst dich ihr. Das Gleiche gilt beim Sex. Amateure reißen sich die Hosen runter und stecken ihn rein, als wollten sie einen Fisch aufspießen. Aber der Mann mit Talent weiß, dass es nur darum geht zu locken, zu umkreisen, sich zu nähern und wieder zu entziehen.«
»Die da ist hübsch«, sagte ich und hielt eine Karte hoch, auf der eine Frau als Torero posierte, in der Hand eine rote Capa und mit nichts weiter bekleidet als einer Stierkämpfermütze.
»Das ist meine Lieblingskarte. Als ich so alt war wie du, habe ich bestimmt zwanzig Socken gefüllt, während ich sie angestarrt habe.«
»In der Komsomolskaja Prawda steht, dass Masturbieren die revolutionäre Gesinnung untergräbt.«
»Zweifellos. Aber wie Proudhon sagte ...«
Ich habe nie erfahren, was Proudhon sagte. Das zweimalige Klopfen eines Kupferlöffels auf einen Kupfertopf unterbrach Koljas Vortrag. Wir setzten uns beide in unseren Betten auf.
»Die sind früh dran«, flüsterte er.
»Und nur zu zweit.«
»Die haben sich die falsche Nacht ausgesucht, um ohne Begleitung herzukommen.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da schlug der Löffel wieder auf den Topf - einmal, zweimal, dreimal, viermal.
»Sechs«, flüsterte ich.
Kolja schwang die Beine über den Bettrand und ließ sich lautlos auf den Boden herab, die Pistole in der Hand. Er blies die Kerzen aus und spähte durchs Fenster, aber wir waren auf der falschen Seite des Hauses, sodass nichts zu sehen war. Wir hörten, wie Autotüren zugeknallt wurden.
»Wir machen Folgendes«, sagte er mit leiser und ruhiger Stimme. »Wir warten ab. Sollen sie sich erst entspannen, sich aufwärmen, ein paar hinter die Binde kippen. Später ziehen sie sich aus, und mit etwas Glück haben sie ihre Waffen dann nicht in Reichweite. Sie sind ja nicht hergekommen, um zu kämpfen. Sie sind hergekommen, um sich zu amüsieren, sich mit den Mädchen zu vergnügen. Kapiert? Wir sind im Vorteil.«
Ich nickte. Trotz allem, was er sagte, schien mir die Rechnung nicht aufzugehen. Sechs Deutsche und wir beide. Würden die Mädchen versuchen, uns zu helfen? Für Soja hatten sie keinen Finger krumm gemacht, aber was hätten sie für Soja schon tun können? Sechs Deutsche und acht Patronen in der Tokarew. Ich konnte nur hoffen, dass Kolja ein guter Schütze war. Angst durchfuhr mich, ein Stromstoß, der meine Muskeln zucken und meinen Mund trocken werden ließ. Ich fühlte mich wacher, als ich jemals gewesen war, als wäre das hier, in diesem Bauernhaus außerhalb von Beresowka, der erste wahre Moment meines Lebens und alles, was davor geschah, ein unruhiger Schlaf. Meine Sinne schienen sich geweitet zu haben, schärfer geworden zu sein, reagierten auf den kritischen Moment, indem sie mir alle Informationen gaben, die ich benötigte. Ich konnte das Knirschen von Stiefeln auf hart gefrorenem Schnee hören. Ich konnte die brennenden Kiefernnadeln im Kamin riechen, ein alter Trick, um angenehmen Duft im Haus zu verbreiten.
Ein Gewehrschuss schreckte uns auf. Wir blieben stumm im Dunkeln stehen, versuchten zu begreifen, was vor sich ging. Nach einigen Sekunden folgten echoartig weitere Schüsse. Wir hörten, wie die Deutschen einander zuriefen, mit panikerfüllten Stimmen wild durcheinanderschrien.
Kolja rannte zur Tür. Ich wollte ihm sagen, dass er warten solle, dass wir einen Plan hatten und dieser Plan Abwarten verlangte, aber ich wollte nicht allein zurückbleiben, während draußen die Gewehre feuerten und die Deutschen ihre Verwünschungen ausstießen.
Wir rannten in das große Zimmer und warfen uns auf den Boden, als eine Kugel eines der Sprossenfenster durchschlug. Die vier Mädchen lagen schon alle auf dem Bauch auf dem Boden, die Arme vor dem Gesicht, um
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