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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sich vor herumfliegenden Glassplittern zu schützen.
    Ich hatte seit einem halben Jahr im Krieg gelebt, aber ich war noch nie so nahe an einer Schießerei gewesen, und ich hatte keine Ahnung, wer da gegen wen kämpfte. Ich konnte das abgehackte Husten von Maschinengewehren hören, die direkt vor dem Haus abgefeuert wurden. Die Gewehrschüsse schienen von weiter weg zu kommen, möglicherweise vom Waldrand. Kugeln hämmerten gegen die Steinmauern des Bauernhauses.
    Kolja kroch zu Lara und rüttelte sie.
    »Wer schießt auf sie?«
    »Keine Ahnung.«
    Wir hörten, wie draußen ein Motor ansprang. Türen wurden zugeknallt, und der Wagen beschleunigte, dass die Räder im Schnee durchdrehten. Die Gewehre feuerten nun sogar noch schneller, Schuss folgte auf Schuss, und Kugeln schlugen in Blech ein, ein ganz anderes Geräusch als Kugeln auf Stein.
    Kolja schlich geduckt zur Haustür, den Kopf immer unterhalb der Fenster. Ich folgte ihm. Wir hockten uns mit dem Rücken gegen die Tür hin. Kolja kontrollierte ein letztes Mal seine Pistole. Ich zog das deutsche Messer aus der an meiner Wade befestigten Scheide. Ich wusste, dass ich damit so lächerlich aussah wie ein kleiner Junge, der das Rasiermesser seines Vaters in der Hand hält. Kolja grinste mich an, als würde er gleich zu lachen anfangen. Wirklich eigenartig, dachte ich. Ich befinde mich mitten in einer Schießerei und bin mir meiner eigenen Gedanken bewusst, mache mir Sorgen, wie albern ich mit einem Messer in der Hand aussehe, während alles um mich herum mit Gewehren und Maschinengewehren gegeneinander kämpft. Ich bin mir bewusst, dass ich mir dessen bewusst bin. Nicht einmal jetzt, wo Kugeln durch die Luft schwirren wie wütende Hornissen, kann ich dem Geplapper meines Gehirns entgehen.
    Kolja legte die Hand auf den Türknopf und drehte ihn langsam herum.
    »Warte«, sagte ich. Wir blieben einige Sekunden regungslos sitzen. »Alles still.«
    Die Schießerei hatte abrupt aufgehört. Der Automotor lief noch, aber ich konnte keine Rädergeräusche hören. Die deutschen Stimmen waren ebenso plötzlich verstummt wie die Gewehre. Kolja sah mich kurz an und zog dann langsam die Tür auf, gerade weit genug, um hinausspähen zu können. Der Mond stand hoch und hell am Himmel, beleuchtete die grausige Szenerie: Angehörige des Einsatzkommandos in weißen Anoraks, mit dem Gesicht nach unten im Schnee ausgestreckt, und ein Kübelwagen mit zerschossenen Scheiben und qualmendem Motorblock, der langsam die nicht freigeschaufelte Einfahrt hinunterrollte. Der tote Mann auf dem Beifahrersitz hing halb aus dem Seitenfenster, die Finger noch um die Maschinenpistole geklammert. Ein zweiter Kübelwagen, der schräg abwärts neben dem Bauernhaus geparkt war, hatte sich nicht einmal bewegt. Zwischen ihm und dem Haus lagen zwei Deutsche, aus deren Schädeln eine dunkle Masse auf den Schnee floss. Ich hatte gerade noch Zeit, die Präzision der Schüsse zu registrieren, die überragende Treffsicherheit der Heckenschützen, als eine Kugel durch die Lücke zwischen Koljas Kopf und meinem flog, die in der Luft nachhallte wie eine gezupfte Saite.
    Wir purzelten beide nach hinten, und Kolja stieß mit dem Stiefel die Tür zu. Er legte die Hände um den Mund und brüllte in Richtung des zerschmetterten Fensters neben der Tür.
    »Wir sind Russen! He, ihr da! Wir sind Russen!«
    Einige Sekunden lang herrschte Stille, bevor von fern eine Stimme antwortete: »Für mich siehst du aus wie ein beschissener Nazi!«
    Kolja lachte, boxte mich vor lauter Freude in die Schulter.
    »Ich bin Nikolai Alexandrowitsch Wlassow!«, schrie er in Richtung des Fensters. »Vom Engels-Prospekt!«
    »Sehr originell! Das kann jeder sagen, der ein paar Jahre Russisch gehabt hat!«
    »Engels-Prospekt!«, brüllte eine andere Stimme. »In jeder beschissenen Stadt im Land gibt es einen Engels-Prospekt.«
    Noch immer lachend packte mich Kolja beim Mantel und schüttelte mich, einfach nur deshalb, weil sein Blut einen Adrenalinstoß bekommen hatte, weil er lebte und glücklich war und irgendetwas schütteln musste. Er kroch näher an das kaputte Fenster heran, wich vorsichtig den Glassplittern auf dem Boden aus.
    »Deine Mutter hat eine potthässliche Fotze!«, brüllte er. »Trotzdem schmeckt mir der Saft, den sie absondert, und ich lecke mit Begeisterung ihre Möse, wann immer mich die Alte ranlässt!«
    Auf diesen Satz folgte eine lange Stille, was Kolja jedoch nicht zu beunruhigen schien. Er gluckste vergnügt über seinen

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