DavBen-StaderDie
geschlagen. Als ich aus der Tür trat, dachte ich: Ich stehe im Vorgarten eines Bauernhauses außerhalb von Beresowka, und Partisanen zielen mit ihren Gewehren auf meinen Kopf.
Nach dem breiten Lächeln auf Koljas Gesicht zu urteilen, dachte er überhaupt nichts. Wir standen Seite an Seite, während unsere unsichtbaren Fragesteller uns in aller Ruhe musterten. Unsere Mäntel lagen im Haus, und wir zitterten in der Nachtluft, deren Kälte uns bis in die Knochen drang.
»Beweis mir, dass du einer von uns bist.« Die Stimme schien von einem der schneebedeckten Heuballen zu kommen, und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, konnte ich dort einen Mann im Schatten knien sehen, das Gewehr in Anschlag. »Schieß jedem Deutschen in den Kopf.«
»Das ist kein Kunststück«, sagte Kolja. »Die sind ja schon tot.«
Das Talent dieses Kerls, eine schlimme Situation noch schlimmer zu machen, überraschte mich inzwischen nicht mehr. Vielleicht ist ein Held ein Mensch, dem seine eigene Verwundbarkeit gar nicht bewusst ist. Ist es demnach Mut, wenn du zu blöd bist, um zu wissen, dass du sterblich bist?
»Wir leben noch«, sagte der Partisan im Schatten, »weil wir sie sogar erschießen, wenn wir sie für tot halten.«
Kolja nickte. Er ging hinüber zu dem leerlaufenden Kübelwagen, der schließlich zum Stehen gekommen war, die Räder tief in den Schnee gegraben.
»Wir beobachten dich«, warnte der Partisan. »In jeden Kopf eine Kugel.«
Kolja erschoss den toten Fahrer und den toten Beifahrer, wobei das Mündungsfeuer in der Nacht aufflammte wie das Blitzlicht eines Fotografen. Er drehte sich um und ging zu den anderen Deutschen weiter, die verrenkt im Schnee lagen, hielt jeweils kurz an und erschoss sie.
Als er sich beim sechsten Mann bückte, um dem gefallenen Offizier die Pistole an den Kopf zu setzen, hörte er etwas.
Er kniete sich hin und lauschte kurz, stand wieder auf und rief: »Der da lebt noch.«
»Darum sollst du ihn ja erschießen.«
»Vielleicht kann er uns etwas Nützliches mitteilen.«
»Sieht der aus, als ob er noch reden könnte?«
Kolja drehte den Deutschen auf den Rücken. Der Mann stöhnte leise. Rosa Schaum drang aus seinem Mund.
»Nein«, sagte Kolja.
»Weil wir ihm die Lunge zerschossen haben. Tu ihm den Gefallen und erledige ihn.« Kolja stand auf, zielte und schoss dem sterbenden Mann in die Stirn. »Steck die Pistole ein.«
Kolja tat, wie ihm befohlen, und die Partisanen tauchten aus ihren Verstecken auf, traten hinter den Heuballen hervor, kletterten über die niedrigen Steinmäuerchen, die die Felder umgaben, kamen vom Waldrand her durch den Schnee gestapft. Ein Dutzend Männer in langen Mänteln, die sich, das Gewehr in der Hand und Atemwolken über den Köpfen, dem Bauernhaus näherten.
Die meisten sahen aus wie Bauern, die pelzverbrämten Mützen heruntergezogen bis zu den Augenbrauen, die Gesichter breit und platt und abweisend. Eine einheitliche Uniform gab es nicht. Einige trugen Lederstiefel der Roten Armee, andere hatten graue Filzstiefel an; einige trugen braune Mäntel, andere graue. Einer der Männer war mit etwas bekleidet, das aussah wie der weiße Skianzug der finnischen Truppen im Winterkrieg. Ganz vorn ging der Mann, den ich für ihren Anführer hielt, auf den Wangen ein dunkler Achttagebart, über der Schulter eine alte Jagdflinte. Später erfuhren wir, dass er Korsakow hieß. Falls er einen Vornamen und einen Vatersnamen hatte, so haben wir beide nie gehört. Korsakow war vermutlich ohnehin nicht sein richtiger Name - die Partisanen waren notorisch paranoid, was ihre Identität betraf, und das mit gutem Grund. Die Reaktion der Einsatzkommandos auf lokal en Widerstand war die öffentlic he Hinrichtung der Familienangehörigen bekannter Widerständler.
Korsakow und zwei seiner Kameraden kamen auf uns zu, während die anderen Partisanen die toten Deutschen durchsuchten, ihre Maschinenpistolen und die Munition, ihre Briefe und Feldflaschen und Uhren an sich nahmen. Der Mann im Skianzug kniete neben einer der Leichen und versuchte, dem Toten den goldenen Ehering vom Finger zu ziehen. Als das nicht klappte, steckte der Partisan den ganzen Finger in den Mund. Er sah, dass ich ihn anstarrte, grinste, zog den nassen Finger aus dem Mund und streifte den Ring ab.
»Mit denen braucht ihr euch nicht mehr abzugeben«, sagte Korsakow, als er sah, was ich da anstarrte. »Aber mit mir. Was habt ihr hier zu suchen?«
»Sie sollen die Partisanen organisieren«, sagte Nina.
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