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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wie du weißt, hat er sie seit sieben Jahren nicht verlassen -, beobachtet den Professor, der nach den Tauben tritt und sie verflucht, bis er außer Sichtweite ist.« Kolja räusperte sich und schaltete auf seinen deklamatorischen Ton um. »Talent gleicht einer fanatischen Geliebten. Sie ist wunderschön; wenn du mit ihr zusammen bist, beobachten dich die Leute, nehmen dich wahr. Sie hämmert unvermutet an deine Tür, und sie verschwindet häufig für längere Zeit, und sie nimmt keine Rücksicht auf dein übriges Leben: deine Frau, deine Kinder, deine Freunde. Sie ist dein berauschendster Abend der Woche, aber eines Tages wird sie dich für immer verlassen. Eines Nachts, nachdem sie seit Jahren fort ist, wirst du sie am Arm eines jüngeren Mannes sehen, und sie wird vorgeben, dich nicht zu erkennen.«
    Dass Kolja gegen Erschöpfung offensichtlich immun war, wurmte und verblüffte mich. Ich konnte nur weitergehen, indem ich weiter vorn einen Baum anvisierte und mir vornahm, nicht schlappzumachen, bevor ich ihn erreichte - und wenn wir dann bei dem Baum ankamen, suchte ich mir einen anderen aus und schwor mir, dass das der letzte war. Kolja dagegen schien fähig zu sein, stundenlang durch die Wälder zu latschen und dabei auch noch im Flüsterton Reden zu schwingen.
    Ich wartete einen Moment, um mich zu vergewissern, dass er fertig war, bevor ich nickte. »Das ist gut.«
    »Nicht wahr?«, sagte er prompt, erfreut, das zu hören. Die Art, wie er reagierte, veranlasste mich, sein vom Mond beschienenes Gesicht genauer zu betrachten.
    »Kennst du das Buch auswendig?«
    »Naja, nicht ganz. Nur einzelne Passagen.«
    Der Schnee wurde tiefer, als wir eine kleine Anhöhe überquerten, machte jeden Schritt noch mühsamer, und ich japste und keuchte wie ein alter Mann, der nur noch einen Lungenflügel hat, während ich auf den nächsten Baum zutaumelte.
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Tust du ja gerade«, sagte er mit seinem aufreizend selbstgefälligen Lächeln.
    »Was schreibst du eigentlich in dein Tagebuch?«
    »Das kommt darauf an. Manchmal nur Notizen über das, was ich gesehen habe. Manchmal höre ich, wie jemand den einen oder anderen Satz sagt, und schreibe ihn auf, weil er mir gefällt.«
    Ich nickte und experimentierte dann damit, die Augen abwechselnd zehn Sekunden lang geschlossen zu halten, um sie etwas ausruhen zu lassen und vor dem Wind zu schützen.
    »Warum fragst du?«
    »Ich glaube, dass du das Buch Der Hofhund schreibst.«
    »Du glaubst... du meinst, eine kritische Abhandlung über das Buch Der Hofhund? So ist es. Das habe ich dir doch gesagt. Eines Tages werde ich Vorträge darüber halten. In Russland gibt es höchstens sieben Personen, die mehr über Uschakowo wissen als ich.«
    »Ich glaube, dass Uschakowo gar nicht existiert.« Ich schob meine Mütze hoch, um Kolja besser im Blick zu haben. »Du erzählst mir ständig, dass das Buch ein Klassiker ist, dabei habe ich noch nie davon gehört. Und du warst hocherfreut, als ich sagte, dass mir die Passage gefallen hat, du warst stolz darauf. Wenn ich etwas von Puschkin zitiere und du daraufhin sagst, das sei gut, dann würde mich das doch nicht stolz machen, oder? Weil ich das ja nicht geschrieben habe.«
    Kolja verzog keine Miene. Sein Gesicht gab nichts zu, stritt nichts ab. »Aber es hat dir gefallen?«
    »Es ist nicht schlecht. Hast du dir das gerade ausgedacht?«
    »Während der letzten Stunden. Weißt du, was mich dazu angeregt hat? Dieses Gedicht deines Vaters. >Ein alter Dichter, einst berühmt, gesehen in einem Cafe<.«
    »Das war ein weiterer Hinweis. Du hast schamlos bei ihm gestohlen.«
    Er lachte, blies eine mächtige Atemwolke in die eisige Luft.
    »So ist das in der Literatur. Aber wir nennen es nicht Diebstahl; wir nennen es Hommage. Was ist mit dem ersten Satz des Buches? Der hat dir doch auch gefallen, stimmt's?«
    »Ich erinnere mich nicht mehr an den ersten Satz des Buches.«
    »Im Schlachthaus, wo wir uns das erste Mal küssten, stank es noch nach dem Blut der Lämmer.«
    »Ein bisschen melodramatisch, nicht?«
    »Was hast du gegen Dramatik? Alle modernen Schriftsteller sind furchtbar zaghafte kleine Fische ...«
    »Ich sagte melodramatisch.«
    »... aber wenn ein Thema Intensität verlangt, dann sollte man ihm auch Intensität verleihen.«
    »Du hast also die ganze Zeit ... Warum hast du mir nicht einfach gesagt, dass du einen Roman schreibst?«
    Kolja betrachtete den Mond, der schon auf die Wipfel der Kiefern herabsank. Bald würde

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