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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gesicht stieg, und verzog sich ans andere Ende der Wohnung, wo er sich plötzlich sehr für die Bücher in den Regalen meines Vaters interessierte - Balzac und Stendhal, Yeats und Baudelaire. Bald darauf verließ der geschlagene Mann das Fest, aber es zu schnell zu verlassen hätte höchst unsportlich gewirkt, beleidigt und feige, folglich wartete er noch zwanzig quälende Minuten, während alle um ihn herum es peinlich vermieden, sein Gedicht zu erwähnen, als handelte es sich um einen geräuschvollen Furz, über den jeder taktvoll hinwegging. Schließlich bedankte er sich bei meiner Mutter für das Essen und die Gastfreundschaft, lächelnd, aber ohne ihr in die Augen zu schauen, und eilte dann zur Tür hinaus, wobei er genau wusste, dass im nächsten Moment alle über das fürchterliche Machwerk herziehen würden, das er da enthüllt hatte, nichts weiter als Schrott, ein Haufen Wichtigtuerei und Affektiertheit.
    Kolja schützte sich, indem er Uschakowo erfand. Der fiktive Schriftsteller bot die Tarnung, unter der Kolja den ersten Satz, die Philosophie seines Protagonisten, sogar den Titel des Buches testen konnte, ohne befürchten zu müssen, sich lächerlich zu machen. Was Täuschungsmanöver betrifft, gab es gewiss raffiniertere, aber er bewältigte es mit Bravour, und ich kam zu dem Schluss, dass Kolja eines Tages vermutlich einen anständigen Roman schreiben würde, falls er den Krieg überlebte und den bombastischen ersten Satz wegwarf.
    Die Unterhaltung mit Kolja und der Zusammenstoß mit Vika hatten mich wieder wach gerüttelt, und so spähte ich suchend in den Wald und hoffte, dass die Männer vor und hinter mir bessere Augen in der Dunkelheit hatten als ich. Der Mond war hinter den Baumwipfeln verschwunden; die Sonne ging erst in einigen Stunden auf; die Nacht war nun wirklich pechschwarz. Zwei Mal wäre ich fast gegen einen Baum gelaufen. Die Sterne standen millionenfach am Himmel, aber sie waren nur Dekoration, und ich überlegte, warum all diese fernen Sonnen nur wie kleine helle Punkte erschienen. Wenn die Astronomen recht hatten und das Universum tatsächlich mit Sternen vollgestopft ist, viele davon weitaus größer als unsere Sonne, und wenn das Licht sich immer und ewig ausbreitet, ohne langsamer oder schwächer zu werden, warum leuchtete der Himmel dann nicht zu jeder Tageszeit? Die Antwort muss auf der Hand gelegen haben, aber ich kam nicht darauf. Dreißig Minuten lang dachte ich nicht an das Einsatzkommando und dessen Anführer Abendroth; ich vergaß die verkrampften Muskeln in meinen Beinen; ich achtete nicht auf die Kälte. Waren Sterne wie Taschenlampen, deren Licht nur eine bestimmte Reichweite hat? Vom Dach des Kirow konnte ich die brennende Taschenlampe eines Soldaten ausmachen, der zwei bis drei Kilometer weiter weg war, auch wenn der Lichtstrahl mein Gesicht aus dieser Entfernung nicht beleuchten konnte. Aber andererseits, warum verlor der Lichtstrahl einer Taschenlampe mit zunehmender Entfernung an Kraft? Breiteten sich die Lichtteilchen aus wie die Kügelchen einer Schrotflinte? Bestand Licht überhaupt aus Teilchen?
    Meine halbluziden Überlegungen endeten schließlich, als ich mit Koljas Rücken kollidierte, mir die Nase anschlug und vor Schreck aufschrie. Ein Dutzend Stimmen brachte mich zum Schweigen. Als ich zu den undeutlichen Gestalten vor mir blickte, merkte ich, dass sich alle neben einem großen schneeverkrusteten Felsblock versammelt hatten. Vika stand bereits oben auf dem Findling; ich weiß nicht, wie es ihr gelungen war, in der Dunkelheit die glatten, vereisten Seiten hinaufzuklettern.
    »Sie brennen die Dörfer nieder«, rief sie Korsakow zu.
    Noch während sie sprach, konnte ich Rauch in der Luft riechen.
    »Sie haben die Leichen gefunden«, sagte Korsakow.
    Die Deutschen hatten den Zivilisten in den besetzten Gebieten unmissverständlich klargemacht, wie sie Vergeltung übten. Sie schlugen Plakate an; sie gaben amtliche Mitteilungen in ihren russischsprachigen Rundfunksendungen bekannt; sie ließen es durch ihre Kollaborateure verbreiten: Für jeden deutschen Soldaten, den ihr tötet, töten wir dreißig Russen. Partisanen aufzuspüren war schwierig, aber eine große Zahl alter Männer, Frauen und Kinder zusammenzutreiben war leicht, selbst jetzt, da das halbe Land auf der Flucht war.
    Falls es Korsakow und seinen Leuten zu schaffen machte, dass ihr Überfall einige Stunden zuvor der Auslöser dafür war, dass nun Unschuldige abgeschlachtet wurden, so war ihren

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