Dave Duncan
von Krasnegar, den er letzten Sommer auf dessen Einladung hin besuchte. Da sah er, daß der König wahrscheinlich sterben würde.«
Vater! Inos schnappte nach Luft und sah zu Kade, die ihrem Blick auswich. Also hatte sie davon gewußt oder es zumindest vermutet!
Andor schwieg, damit sie über seine Worte nachdenken konnten. Als er weiter sprach, wandte er sich an Inos. »Sagorn kannte einen Trank, der das Leiden Eures Vaters mildern könnte, doch die Zutaten gab es in Krasnegar nicht. Also kehrte er ins Impire zurück, um sie zu holen, und zu jenem Zeitpunkt wurden die Schiffahrtsrouten gerade für den Winter gesperrt. Er bat mich um den Gefallen, ihn nach Krasnegar zurück zu eskortieren, denn der Weg über Land ist in seinem Alter lang und beschwerlich.«
Jetzt verstand Inos. Sie lächelte voller Verständnis und Dankbarkeit.
Andor jedoch runzelte die Stirn. »Genau da habe ich meinen dummen Irrtum begangen. Er brauchte einige Zeit, um die Zutaten zu besorgen, und er hatte mir gegenüber erwähnt, daß die Tochter des Königs nach Kinvale ginge. Ich mißbrauchte unsere gegenseitige Freundschaft, um sie kennenzulernen.« Er bezog den schmollenden Herzog mit einem Blick in das Gespräch. »Es war reine Neugier… und ich – ich habe mein Herz verloren.«
Inos merkte, wie sie knallrot wurde und sah eilig in ihren Schoß.
»Ihr seht also meine Zwangslage«, sagte seine Stimme leise – und er sprach sicher immer noch zu ihr. »Sagorn hatte mich Geheimhaltung schwören lassen, denn die Schmerzen von Königen sind Angelegenheiten von großer Tragweite. Also konnte ich über meine Mission nicht sprechen.«
Sie erhob ihren Blick, um in seine Augen zu schauen. Sie lächelte ihn vergebend an. Sie ließ ihn so wissen, daß sie nie an ihm gezweifelt hatte.
Er erwiderte ihr Lächeln, ein wenig – dankte ihr dafür –, aber seine Augen blieben ernst.
»Also fuhren wir nach Krasnegar. Bis zum Winterfest hatte Sagorn keine Zweifel. Der König befahl, das Geheimnis müsse gewahrt bleiben, und die Angelegenheit solle mich nicht weiter beschäftigen. Doch jetzt kannte ich Inosolan. Ich war der Gast seiner Majestät und der Sklave seiner Tochter,, aber nicht sein Untertan. Erneut fand ich mich in einem Interessenkonflikt, denn ich wußte, Inos würde von der Sache wissen wollen. Das war also meine Strafe für die Neugier – daß ich ihr die schlechte Nachricht überbringen mußte. Ich kaufte einige Pferde, und hier bin ich.«
Inos rang nach Atem vor Entsetzen und Unglauben. Für sie hatte er sich der gefrorenen Weite des Waldes gestellt – allein! Einfach so! Für sie! Allein!
»Eine bemerkenswerte Geschichte!« sagte die Herzogin bissig. »Kade, wir sollten dich in deinem Kummer nicht aufhalten. Was immer wir für dich tun können, du brauchst nur darum zu bitten, das weißt du.«
Damit war sie entlassen. Die Männer erhoben sich, als die Damen aufstanden. Andor war als erster bei der Tür.
Er küßte Inos Hand und verbeugte sich vor ihrer Tante. »Wenn Ihr Euch entschließt, zu fahren, Ma’am«, sagte er, und es war nicht klar, mit welcher Prinzessin er sprach, »würde ich Euch bitten, Euch begleiten zu dürfen. Das wäre das mindeste, womit ich meine Dummheit wieder gutmachen könnte.«
Welche Dummheit? Inos schwebte hinter ihrer Tante hinaus, und trotz der Wunden, die die Nachricht über ihren Vater gerissen hatte, stieg ein Teil ihres Herzens wie eine Lerche in den siebten Himmel hinauf.
6
Die Herzoginwitwe wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte, dann setzte sie ihren düstersten Blick auf. »Ihr seid hier willkommen, Sir Andor. Aber sagt – ich meine, daß der ehrenwerte Senator Endrami vor über dreißig Jahren gestorben ist?«
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Vor 26 Jahren und drei Monaten, Ma’am. Ich wurde nach seinem Tod geboren, aber so lange danach auch wieder nicht.«
»Also muß Lady Imagina, die den Markgrafen von Minxinok geheiratet hat, Eure Cousine gewesen sein?«
»Meine älteste Schwester, Euer Gnaden. Sie starb, als ich noch sehr klein war. Ich habe sie nie kennengelernt.«
Endrami war ein entfernter – ein sehr entfernter – Verwandter gewesen, und die Aussagen des Jungen waren korrekt. Also war er entweder echt, oder er hatte seine Hausaufgaben gut gemacht, vielleicht gut genug, um die Fallen zu umgehen, die sie eben aufzustellen versucht hatte. Die Endrami-Ländereien lagen alle in South Pithmot; es würde Wochen dauern, seine Geschichte bestätigen zu lassen.
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