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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erinnerung
– flüchtige Eindrücke. Sie hatte Krasnegar bei sommerlichem Nieselregen in einer Kutsche verlassen, in der sie zusammen mit ihrem Vater und Tante Kade mehr oder weniger ernsthaft von fröhlichen, warmherzigen Leuten aus der Stadt verabschiedet worden war. An einem stürmischen Morgen im Frühling kehrte sie zurück, und Schneeschauer vermischten sich mit Sonne, als sie Seite an Seite mit Andor und dem widerlichen Prokonsul Yggingi in die Stadt ritt. Jetzt kuschelten sich die Bürger in ihre Felle, als sie ihre Ankunft verfolgten oder lugten hinter Fensterläden hervor, und ihre Gesichter spiegelten Entsetzen und Wut über die imperiale Armee wider, die ihre Straßen entweihte.
    Das Schloßpersonal und die Offiziere des Königreiches waren eilig in der großen Halle zusammengerufen worden, die auf Inos jetzt wie eine protzige Kaserne wirkte. Auch sie starrten in ohnmächtiger Wut vor sich hin. Ihre Begrüßung war knapp, ihre Willkommensworte unehrlich. Vertraute Gesichter trugen einen unbekannten Gesichtsausdruck – der alte Kanzler Yaltauri und der noch viel ältere Seneschal Kondoral, Mutter Unonini und Bischoff Havyili, und die große, steife Gestalt von Verwalter Foronod, dessen aschgraues Gesicht beinahe so blaß war wie der silberne Helm seines Haares.
    Wie klein Krasnegar war, wie öde, wie heruntergekommen im Gegensatz zu Kinvale! Der Palast war ein Schuppen. Und als sie höflich in das warme Wohnzimmer geführt wurde, sah sie sich um – die Rosenholzmöbel, die Tante Kade mitgebracht hatte – drei Jahre war das jetzt her – sie schienen ihr erbärmlich, eine Verhöhnung dessen, was Komfort und Eleganz bieten sollten. Und doch hatte sich nichts verändert, und sie haßte sich selbst, denn sie war es, die sich verändert hatte.
    Die Art, wie sie mit ihnen sprach, wie sie sich bewegte, wie sie ihre Blikke erwiderte – sie war fortgegangen, aber sie war nicht zurückgekehrt. Sie würde niemals zurückkehren. Der Ort war immer noch derselbe. Doch sie war ein anderer Mensch.
    Dann kamen Ärzte, die sich verbeugten und vor sich hin murmelten und sich entschuldigten. Seine Majestät war bei Bewußtsein und darüber informiert worden –
    »Ich werde ihn allein sehen!« konstatierte sie und brachte ihren Protest mit sehr festem Blick zum Schweigen. Ohne Andor. Ohne den verhaßten Yggingi. Sogar ohne Tante Kade.
    Erstaunlicherweise funktionierte es. Alle willigten ein, und niemand war darüber mehr überrascht als Inos selbst.
    Sie stieg allein die vertraute Wendeltreppe hinauf und bemerkte erstaunt, daß die Stufen durch jahrhundertelange Benutzung ausgetreten waren, bemerkte, wie schmal der Weg war, stellte fest, wie das Mauerwerk durch die zarte Berührung vieler Kleider poliert worden war. In Kinvale war alles so neu gewesen. Sie kam in das Ankleidezimmer und erinnerte sich, wie es dort in ihrer Kindheit gewesen war, mit ihrem eigenen Bett an der nordwestlichen Wand, wo jetzt ein uralter Schrank stand. Krankenschwestern und Ärzte strömten aus der gegenüberliegenden Tür und verneigten sich höflich vor ihr und eilten dann durch den Raum und die Treppen hinunter. Als der letzte verschwunden war, schob sie ihre unwilligen Füße auf die Stufen zu und begann eine weitere Treppe hinaufzugehen.
    Die Vorhänge des Bettes waren zurückgezogen, das Zimmer erhellt von flüchtigem Sonnenschein, und zuerst glaubte sie, es handele sich um einen fürchterlichen Fehler, einen makabren Witz, denn das Bett wirkte leer. Dann erreichte sie das Fußende… und lächelte.

    Sie saß viele Stunden lang bei ihm, hielt seine Hand und sprach mit ihm, wenn er dazu in der Lage war, oder sie wartete einfach, bis er wieder erwachte oder die Krämpfe vorbeigingen. Die meiste Zeit war er geistesabwesend. Oft hielt er sie irrtümlich für ihre Mutter.
    Immer wieder kam Tante Kade auf Zehenspitzen mit traurigem Gesicht herein. Sie sprach mit ihm, und manchmal erkannte er sie. Dann fragte sie, ob Inos irgend etwas brauchte, und schlüpfte leise wieder hinaus. Arme Tante Kade! Wochenlang auf dem Rücken eines Pferdes… sie hatte die ganze Ödnis auf dem Pferd durchquert und tapfer darauf beharrt, es sei das größte Abenteuer ihres Lebens, das sie sich nicht entgehen lassen dürfe. Ihrer Figur hatte es leider überhaupt nichts gebracht. Sie war genauso füllig wie zuvor, und heute sah sie alt aus.
    Die lichten Momente waren gleichzeitig gut und schlimm.
     
    »Nun, Prinzessin?« fragte er flüsternd. »Hast du den

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