Dave Duncan
mein Kind – Ich meine, Eure Hoh…« Die rauhe Stimme zögerte und begann sodann eine Totenrede über das Wägen der Seelen und wie sehr das Gute das Böse in Vater übersteige und all die vorhersehbaren Platitüden. Inos hörte gar nicht hin.
Es war vorbei, und sie würde heute keine Tränen vergießen. Es war eine Erlösung.
In jedem Bösen gab es auch etwas Gutes.
Auch ein Arzt war anwesend, der ungeschickt mit den Füßen scharrte. Sie fragte ihn »Was nun?«
Er begann etwas über die feierliche Aufbahrung zu murmeln. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter in der großen Halle aufgebahrt worden war und an die Schlangen von Menschen, die an ihr vorbeizogen. Also wies sie ihn an, alles zu arrangieren, und ein Teil von ihr stand daneben und betrachtete voller Erstaunen ihre meisterhafte Selbstbeherrschung. Dann wurde sie wieder umarmt, von Tante Kade und Mutter Unonini, ganz fest von Andor, und die anderen Männer verbeugten sich und murmelten etwas. Sie bekam kaum mit, wie Menschen währenddessen durch den Raum zum königlichen Schlafgemach liefen. Nach einer kleinen Weile trugen sie den Körper nach unten, so nahm sie an, doch sie wandte ihr Gesicht ab und ignorierte diese notwendige Unannehmlichkeit. Dann begann die große Glocke des Schlosses zu läuten, ganz langsam in der Ferne, gedämpft und erhaben.
Schließlich gingen auch die Bediensteten, und die Tür wurde geschlossen. Sie konnte die Welt nicht länger ignorieren. Die Nacht würde noch lang werden. Als sie sich umdrehte, um ihr Gesicht wieder den Männern zuzuwenden, entdeckte sie einen Neuankömmling – den verhaßten, vierschrötigen Prokonsul Yggingi.
Der König war tot; die Geier flogen herbei. Er war wie immer in Uniform, preßte seinen Helm unter einen Arm und die andere Hand auf sein Schwert, ein verschwenderisch verziertes, auffallendes goldenes Ding. Sie fürchtete ihn, dachte sie, aber nur ihn. Mit allem oder jedem anderen würde sie fertigwerden.
»Verwalter?« sagte sie, wohl wissend, daß Foronod der fähigste Mann des Rates war. »Was nun? Die Stadt muß informiert werden.«
Foronod verneigte sich und sagte nichts.
Das war nicht sehr hilfreich.
»Nun?« verlangte sie eine Antwort. »Wann werde ich zur Königin ausgerufen?«
Das runzlige Gesicht blieb ausdruckslos, doch sie konnte den Zorn sehen, der unter seiner Jotunnblässe aufloderte. »Diese Entscheidung liegt offensichtlich nicht innerhalb der Kompetenzen des Rates Eures verstorbenen Vaters, Miss.« Er mußte sich die Worte abringen. »Imperiale Truppen haben die Kontrolle über den Palast und die Stadt übernommen. Sergeant Thosolin und seine Männer sind entwaffnet und festgenommen worden. Ich schlage vor, Ihr richtet Eure Fragen an den Prokonsul Yggingi.«
Er verneigte sich wieder und trat zurück an die Wand.
Inos unterdrückte den verrückten Impuls, in Tränen auszubrechen oder sich in Andors Arme zu werfen. Sie hatte das Raubtier zu ihrem Versteck geführt, jetzt mußte sie gegen das Ungeheuer kämpfen, dessen Schläger ihre Heimat kontrollierten. Sie blickte den Prokonsul erwartungsvoll und kalt – so hoffte sie zumindest – an.
Er senkte seinen Kopf und deutete eine Verbeugung an.
»Vielleicht könnten wir ein Wort unter vier Augen sprechen, Hoheit?« Andor und Tante Kade hoben an zu widersprechen.
»Hoheit?« fragte Inos.
Sie sah das belustigte Funkeln in seinen Schweinsaugen. »Verzeihung – Eure Majestät.«
Gut! Das könnte ihr erster Sieg sein. »Natürlich, Exzellenz«, sagte Inos. »Folgt mir.«
Mit erhobenem Kinn schritt sie zur Tür, die nach oben führte und wünschte, sie hätte ein langes Kleid an, um eindrucksvoll ihre Schleppe herumzuwerfen, als ihr klar wurde, daß sie immer noch in ihrer schmutzigen Reitkleidung herumlief. Ihr Haar war vermutlich völlig durcheinander, aber zumindest hatte sie nicht geweint. Sie stampfte die Stufen hinauf ins Ankleidezimmer mit seinen Schränken und Kommoden und einer großen Couch. Es war in Wirklichkeit nur ein Lager für überflüssige Dinge. Im Sommer würde sie es aufräumen lassen. Die Kerzen waren unangemessen und gaben dem großen Raum ein dämmriges Licht voller Schatten – was sich als gut herausstellen mochte, wenn sie ihren Gesichtsausdruck verbergen wollte, denn Yggingi war mit Sicherheit viel erfahrener bei Verhandlungen als sie selbst. Aber sie hatte nichts zu verhandeln. Er würde seine Befehle erteilen.
Sie blieb neben der Couch stehen und wirbelte herum. »Nun?«
Er umklammerte immer
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