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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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man ein Zauberer war? Thronten Hexenmeister wie brütende Adler hoch oben in ihren Türmen in Hub und beobachteten ganz Pandemia, das unter ihnen ausgebreitet dalag, nackt und wehrlos? Die Wächter, die stärksten Zauberer überhaupt, mußten über wesentlich mehr Spielraum verfügen als Rap – hatte Bright Water ihn wirklich von Hub aus aufgespürt? Saß sie vielleicht gerade jetzt nackt auf ihrem Elfenbeinthron in ihrer eigenen Kammer der Macht und suchte den Norden ab, während sie auf diese Wellen wartete, von denen sie gesprochen hatte, um jeglichen bösen Gebrauch der Magie sofort zu unterbinden? Was würde eine solche Macht für ihren Besitzer bedeuten? Er fröstelte.
    Die Kaplanin bemerkte es. »Ich habe Euch gewarnt, daß Ihr hier oben erfrieren würdet!« Zufrieden, daß ihre Vorhersage wahr geworden war, zog sie ihren Umhang mit ihrer freien Hand fester um sich. Doch Rap trug über seinem Wams einen Mantel aus Fell und fror überhaupt nicht; es war sogar das erste Mal, daß er sich an diesem Tag wohl fühlte.
    »Das ist es nicht, Mutter?«
»Hm?«
    »Wenn die Vier uns alle überwachen, um Mißbrauch der Magie zu verhindern–«
     
    »Ich wünsche nicht über die Vier zu sprechen! Sicher nicht hier.«
    Genau das hatte Rap fragen wollen: Warum sprach sie nur so widerstrebend über die Hexenmeister? Warum sprachen alle immer nur so widerstrebend darüber? Ganz selten hatte er jemanden über sie reden hören.
    »Seht mal!« Die Kaplanin hob ihre Laterne ein wenig an und zeigte auf das südliche Fenster. »Das sieht anders aus!«
     
    Little Chicken, der im Norden nicht viel gesehen hatte, ging jetzt weiter, um aus dem östlichen Fenster zu sehen. Er fand Glas sehr verwirrend, weil es nicht schmolz wie Eis, wenn er warmen Atem daraufblies. Das südliche Flügelfenster war eindeutig größer als die anderen.
    Es war höher und breiter als die drei anderen und faßte nicht nur das Bogenfenster, sondern auch zwei kleinere zu beiden Seiten. Rap versuchte sich daran zu erinnern, ob ihm von unten jemals die fehlende Symmetrie aufgefallen war, und er kam zu dem Schluß, daß er nie richtig hingesehen hatte. Die Ornamente der Bleiverglasung waren komplizierter und unregelmäßiger, und auch das unterschied dieses Fenster von den anderen, doch jenseits der Scheiben war es genauso schwarz.
    »Ich frage mich warum?« Verwirrt ging die Kaplanin zum Fenster hinüber.
     
    Das Fenster begann zu leuchten.
    Mit einem überraschten Zischen blieb sie stehen. Die vielen winzigen Scheiben zwischen den Bleilinien zeigten alle möglichen Formen und Farben und waren mit Bildern und Symbolen verziert: Sterne und Hände, Augen und Blumen, und viele andere, weniger verständliche, alle in einem blassen Schimmer nur undeutlich erkennbar, als stehe draußen der Mond am Himmel. Die Farben waren so verblaßt wie die eines alten Manuskriptes – Siena, Malachit, Ocker und Schiefergrau. Raps Augen konnten sie sehen, doch seine Sehergabe sagte ihm, es handele sich lediglich um ein ganz normales Fenster. Als er jedoch versuchte, die Bilder, die er sah, einzuordnen, hatte er das Gefühl, als veränderten sie sich. Jedes blieb unverändert, solange er es ansah, doch sobald seine Aufmerksamkeit sich einem anderen zuwandte, veränderte es sich wieder. Der Kopf eines umbrafarbenen Vogels in der rechten oberen Ecke saß jetzt viel tiefer als zuvor. Das Horn eines Widders schien sich unerklärlich nach rechts und links gleichzeitig zu krümmen, und das Bild einer lohfarbenen, züngelnden Flamme, eines sich drehenden Rades in rosa und lila… Er fröstelte wieder.
    Mutter Unonini trat einen Schritt zurück, und das Mondlicht hinter dem Glas verlosch.
    Little Chicken knurrte wütend. Er vergaß das östliche Fenster und kam hinüber zum Südflügel, eine Hand am Dolch in seinem Gürtel, seine Schulter vorgezogen, und er sah aus wie Köter, der sich an ein Stachelschwein heranschlich.
    »Halt!« riefen Rap und die Kaplanin im selben Augenblick.
    Doch Little Chicken ging weiter langsam auf Zehenspitzen auf das Fenster zu. Es begann erneut zu leuchten, und dieses Mal gab es ein anderes Licht; es war wärmer und unruhig – nicht der Mond, sondern Feuerschein? Feuer oben auf dem Turm, sieben Stockwerke über einem Schloß, das sich zweitausend Meter oder mehr über dem Meer erhob? »Halt!« drängte Rap wieder. Er legte sein eigenes Bündel nieder – es enthielt Tassen und Essen und nützliche Dinge, die lärmten, als er sie fallenließ – und eilte

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