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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach vorne.
    Das Licht veränderte sich erneut dramatisch. Als Rap Little Chicken erreichte und nach seiner Schulter griff, erstrahlte das Fenster in gleißender Helligkeit, viel zu hell, um hineinzublicken – Wogen in rubinrot, smaragdgrün und saphirblau zwischen Blitzen aus eisigem Weiß wie die Facetten eines riesigen Diamanten. Jetzt veränderten sich die Symbole deutlich in schnellem Wechsel und flackerten in seinem Augenwinkel. Es war unmöglich, sich bei dieser Helligkeit auch nur eine der Scheiben anzusehen.
    Rap zog, und der Kobold gab auf. Sie zogen sich zurück, und die Helligkeit schwand wieder dahin, bis sie nur noch beim Schein der Laterne dastanden. Raps Augen taten weh, und das Innere seiner Lider zeigte ihm Farbflecke in allen möglichen Tönen.
    Die Kaplanin erhob sich steif von ihren Knien, denn sie hatte gebetet. Ihr Gesicht wirkte im Dämmerlicht blaß und angespannt. »Magie!« erklärte sie überflüssigerweise. »Ein magisches Fenster!«
    »Was tut es?« Rap hielt Little Chicken immer noch mit festem Griff umklammert.
     
    »Ich weiß es nicht! Ich bin eine Priesterin, keine Zauberin. Aber ich denke, Ihr solltet Euch besser davon fernhalten.«
    Alle anderen Geheimnisse des Inisso waren verschwunden, aber das dort war in die Mauern eingebaut und konnte nicht entfernt werden. War der geheimnisvolle Doktor Sagorn deswegen mit dem König hierhergekommen, in ein Zimmer, von dem Inos nie gehört hatte?
    »Das finde ich auch. Bleibt weg davon!« fügte Rap auf Kobolddialekt hinzu.
     
    Little Chicken nickte. »Böse!« Er wandte dem beleidigenden Fenster den Rücken zu.
     
    »Ihr wollt trotzdem hier bleiben?« fragte Mutter Unonini.
    Rap nickte. »Das ist der sicherste Ort. Und ich kann von hier aus meine Sehergabe benutzen.« Er würde sich dafür auf die Stufen setzen müssen, unterhalb des Fußbodens, aber das brauchte sie nicht zu wissen.
    »Ja, aber was könnt Ihr tun?« Sie hatte die Frage schon dutzende Male gestellt.
     
    Er gab ihr dieselbe Antwort wie zuvor. »Ich weiß es nicht. Aber irgendwie muß ich Inos warnen, daß Andor nicht der ist, der er zu sein vorgibt.«
    Sie kam näher und hob die Laterne, um in sein Gesicht zu sehen. »Um ihretwillen oder um Euretwillen?«
»Um ihretwillen natürlich!«
    Sie starrte ihn weiter an. »Wenn die Leute einen König anstelle einer Königin wollen, dann werden sie nicht unbedingt auf den Angestellten eines Verwalters hören, versteht Ihr?«
    Rap ballte die Fäuste. »Das habe ich auch nicht andeuten wollen!« »Glaubt Ihr, Ihr könntet hören, was er zu Inos sagt?«
    Wut brandete in Rap auf, und sein Gesichtsausdruck reichte als Antwort offenbar aus. Sie ließ die Laterne sinken. »Nein. Es tut mir leid, Master Rap. Das war unwürdig.« Sie zog ihren Umhang fester um sich. »Ich gehe jetzt. Ihr solltet besser mitkommen und den Schrank wieder richtig hinstellen.«
    Rap nickte. »Und wir werden die Tür dahinter schließen.«
    Der Kaplanin nickte. »Natürlich – aber denkt daran, daß sie quietscht. Ich werde morgen nacht zurückkommen, wenn ich kann, und Euch ein wenig Öl mitbringen.« Sie zitterte. »Ich muß verrückt sein! Ich hoffe, daß ich die Worte der Götter richtig interpretiere… und daß Sie ein wohlwollender Gott sind, auf der Seite des Guten. Kniet nieder und ich werde Euch segnen; ich wünschte, jemand würde die Taten dieser Nacht für mich segnen.«

Casement High:
    A casement, high and triple–arch’d there was,
    All garlanded with carven imagaries
    Of fruits, and flowers, and bunches of knot-grass,
    And diamonded with panes of quaint device,
    Innumerable of stains and splended dyes,
    As are the tiger-moth’s deep-damasked wings…
    Keats, The Eve of Saint Agnes

     
(Das hohe Fenster:
    Ein Fenster, hoch und mit drei Bogen, 
    geschmückt mit eingeschnitzten Bildern 
    von Früchten, Blumen, wildem Wein,
    und funkelnden Scheiben von seltsamer Art 
    mit zahllosen Flecken und leuchtenden Farben 
    wie einer Motte damastene Flügel…)

Neun
    Treu ergeben

1
    Der schlimmste Augenblick an diesem furchtbaren dahinsiechenden Tag war Inos erster Blick auf ihren Vater, der Anblick auf die wenigen Überreste eines vor Kraft strotzenden vitalen Mannes, der er einmal gewesen war. Verglichen damit war nichts, was vorher oder später geschah, so schlimm – keiner der Morde oder, Zaubereien, die folgten, nicht einmal die Nachricht von seinem Tod, denn der war eine Erlösung.
    Von diesem Morgen behielt sie nur verschwommene Bilder in

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