Dave Duncan
als ein Jahr her.
»Ja. Aber meine eigenen sind für mich am deutlichsten. Die anderen sehen die Dinge niemals richtig!« Da sprach der Künstler, der Maler. Er sah sich Raps Gesicht genauer an und schnitt eine Grimasse. »Ich habe Darad nicht auf Euch gehetzt, Rap!«
»O nein!«
»Wirklich!« Jalons träumerische blaue Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe Euch gewarnt, Vergeßt das nicht! Dann habe ich mich im Wald verlaufen und war versucht, ihn zu rufen, weil er das Land kennt, aber ich wußte, er würde sofort zu Euch zurückkehren, also rief ich statt dessen Andor. Auch er erkannte die Gefahr, Rap. Andor ist nicht völlig schlecht! Er gelang ihm, den Weg nach Süden zu finden…«
»Hat er irgendwelche Kobolde getroffen?« Rap war plötzlich neugierig. Der Spielmann nickte. »Ein paar, allein oder zu zweit, und sie konnte er natürlich becircen. Im Sommer sind sie sowieso ziemlich harmlos.«
»Jetzt nicht mehr! Habe ich zumindest gehört.«
»Nun, sie waren es! Aber ich habe versucht, Darad von Euch fernzuhalten. Und ich bin seitdem nicht wiedergekommen.«
»Niemals?« Rap glaubte, eine gewisse Verschlagenheit zu erkennen.
»Nun… einmal. Nur für einige Minuten. Ich schrieb einen Brief, den Andor brauchte, einen Vorstellungsbrief. Und er hatte mir eine Falle gestellt, weil er mich in einem Zimmer rief, in das viele Leute ihn hatten hineingehen sehen. Sie hätten mich gesehen, wenn ich versucht hätte, das Zimmer zu verlassen.«
Rap lachte in sich hinein. Die fünf nutzten einander ohne Skrupel aus. Er fragte sich, wie viele kleine Tricks dieser Art sie wohl kannten. Jalon sah sich nervös um und blickte dann zweifelnd auf Gathmor, der seinen Blick starr erwiderte. »Rap, ich brauche Hilfe!«
»Brauchen wir die nicht alle?«
»Nein, sofortige Hilfe! Ich muß ein Epos komponieren, ein Kriegslied für Jotunn.«
»Viel Glück.«
In Jalons verwaschen-blauen Augen flackerte Wut auf, oder vielleicht war es auch nur Angst. »Kalkor hat es mir befohlen. Ihr wißt, was er so will?«
»Nein. Ihr?«
»O ja. Es soll über die Schlacht von Durthing sein.«
Gathmor knurrte wütend; als er sich aufsetzen wollte, streckte Rap eine Hand aus, um ihn zu beruhigen.
»Es war nicht meine Idee!« jammerte der Spielmann und zuckte zusammen. »Aber diese Kriegslieder müssen bestimmten Kriterien entsprechen. Jeder Mann muß erwähnt werden, also muß ich mit allen Männern an Bord reden und die Namen erfahren. Dann muß ich ihn in einen Vers bringen, der von seinen Heldentaten berichtet. Das ist nicht schwer; ich werde einfach alle Klassiker plündern. Aber ich muß die Namen ihrer Gegner wissen, versteht Ihr? Sie müssen auch darin vorkommen.«
»Und diese Rohlinge haben nicht gefragt, wen sie töteten?« fragte Rap bitter.
Jalon nickte. »Bitte, Rap?« »Warum diese Umstände? Ruft Darad.« »Ich traue mich nicht! Kalkor sagt, wenn ich einen der anderen rufe, sticht er ihm die Augen aus!«
Diese Notlage und sein rotes Gesicht machten aus Jalon eine Farce. Die Fünf Verfluchten hatten einen Mann für jede Situation, und Darad war der richtige für diese Lage, Jalon bestimmt nicht.
»Wart Ihr fünf schon einmal in einer ähnlich vertrackten Lage?«
Der Spielmann schüttelte den Kopf und sah aus, als würde er gleich zu weinen anfangen. Er konnte viel besser über Kriegsführung singen, als sich selbst damit zu beschäftigen.
»Nun gut!« Rap ignorierte Gathmors wütendes Knurren. »Ich werde Euch die besten Kämpfer von Durthing auflisten. Sie sind tot, also tut es ihnen nicht weh. Aber Ihr schuldet mir etwas, Master Jalon!«
Jalon nickte heftig. »Ich werde es nicht vergessen, Rap. Und die anderen werden auch daran denken und Euch dankbar sein.«
Das erschien Rap zweifelhaft. Noch zweifelhafter war die Chance, daß Rap jemals in der Lage sein würde, seine Schuld einzufordern.
Jalon war ein viel zu guter Künstler, um ein Publikum zu enttäuschen, und vermutlich ein viel zu großer Feigling, um es ausgerechnet bei diesem zu versuchen. Bei Einbruch der Nacht hatte er sein jotunnisches Kriegslied über die Plünderung von Durthing fertiggestellt. Alles war frei erfunden, und es wurde ein umwerfender Erfolg. Jedes Mannschaftsmitglied der Blood Wave wurde mit Namen genannt und ihm die eine oder andere schreckliche Tat zugeschrieben. Selbst Rap konnte erkennen, daß die meisten dieser Verse von bekannten Balladen oder Heldenepen abgekupfert waren, aber das schien überhaupt nichts
Weitere Kostenlose Bücher