Dave Duncan
paar Minuten hinterher, dann verloren sie das Interesse. Kade war immer noch merkwürdig unruhig und nervös und offensichtlich bemüht, es nicht zu zeigen.
»Er wird nicht lange fortbleiben, oder?«
»Azak? Nein.« Wie sonderbar! Inos dachte, Kade müsse Azaks Abwesenheit als angenehm empfinden – normalerweise machte er sie nervös. »Sag mir, was los ist, Tante.«
Für gewöhnlich waren Kades rosige Wangen von einem inneren Feuer erleuchtet. Heute schien es von trüben Schatten verhangen. »Nichts! Überhaupt nichts! Nur Aberglaube, das Verwunschene Land.«
»Nun, ich habe noch nie einen Namen gehört, der weniger angemessen gewesen wäre. Es ist idyllisch. Azak ist sich ziemlich sicher, daß es hier keine Menschen gibt.«
Kade nickte unsicher. Dann heftete sie ihre alten blauen Augen fest auf Inos. »Du änderst doch deine Meinung nicht, Liebes, oder?« »Worüber?« Seit ihren ersten gemeinsamen Wochen in Kinvale hatte
Inos diesen Gesichtsausdruck nicht mehr bei ihrer Tante gesehen. »Nun, über Azak. Ich weiß, daß er sehr hartnäckig ist.« Kade errötete. »Er sieht sehr gut aus, auf seine Weise, und…«
»Wir wollen unsere Verlobung verkünden, sobald wir…« Inos lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe meine Meinung nicht geändert! Vielleicht fühle ich mich in seiner Gegenwart inzwischen wohler als früher, und manchmal finde ich ihn lustig. Aber du brauchst das Festtagssilber noch nicht zu polieren.« »Nun, ich meinte nur. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, daß ich gefragt habe?«
»Natürlich nicht! Also, möchtest du hier sitzenbleiben oder mit mir kommen und die Wäsche waschen?«
Kade dachte kurz nach und schien sich schwerzutun, einen bösen Tagtraum zu vergessen. »Ich werde hierbleiben und das Feuer im Auge behalten. Ich werde mich später waschen.«
Sonderbar! Aber die Berge waren sehr schwierig zu überwinden gewesen. Eine solide Nachtruhe war das mindeste, was Kade jetzt brauchte und auch verdient hatte. Selbst eine Stunde für sich allein würde ihr vielleicht gut tun.
Und vielleicht würde sie ihrer Nichte auch ein wenig mehr Selbstbeherrschung zutrauen. Gutaussehender Mann, also wirklich! Es gab viele gutaussehende Männer. Und wenn jemand außen schön war, so war er noch lange nicht innen schön. Dinge wie Ehrenhaftigkeit und Verantwortungsbewußtsein zeigten sich nicht immer im Gesicht. Andor hatte gut ausgesehen, und wer könnte schlichter aussehen als Rap?
Inos ließ ihre nur mit Unterhemd bekleidete Tante zurück, bündelte ihre Kleider und sämtliche Wäsche und ging mit steifem Schritt zum Fluß hinunter. Ein Drittel ihres Weges dachte sie an Azaks Warnung, eine Waffe bereit zu halten. Sie blieb stehen und dachte nach. Die Vorstellung, daß sie einen angreifenden Löwen oder ein Paar Tiger erlegen könnte, war nicht besonders überzeugend. Andererseits hatte er es ernst gemeint, und er vertraute ihr. Azak sprang sehr grob mit denen um, die sich seinen Befehlen widersetzten. Wie würde sie sich fühlen, falls etwas Gefährliches passierte und sie eine solch offensichtliche Vorsichtsmaßnahme mißachtet hatte? Sie fühlte sich ziemlich albern und marschierte entschlossen zurück zu ihrer Unterkunft, fügte ihrer Last einen Bogen und drei Pfeile hinzu und machte sich erneut auf zum Wasser.
Sie öffnete ihr Gewand und lachte über sich selbst, als sie merkte, daß sie innehielt und sich umsah, bevor sie sich auszog, obwohl sie wußte, daß in diesem Teil der Welt seit tausend Jahren niemand herumgeschnüffelt hatte. Ihr Unterhemd ließ sie an. Sie legte ihre Kleider zu den anderen und kniete sich in kühles Wasser, wo sie sich an die Arbeit machte, so gut sie es eben mit einem Stück grober Seife aus Ziegentalg und ohne Steine konnte. Danach breitete sie die Sachen auf dem hohen, warmen Gras zum Trocknen aus.
Inzwischen war die Luft auf ihrer Haut kühl geworden, denn die Sonne hatte sich hinter die hohen Baumwipfel zurückgezogen. In dem Maße, wie die Luft sich abgekühlt hatte, war das Wasser anscheinend wärmer geworden. Wenn sie nicht bald ihr Bad nahm, würden die Krokodile womöglich im Dunkeln Jagd auf sie machen.
Sie warf einen aufmerksamen Blick über den Fluß und konnte keine schwimmenden Baumstämme sehen, ob mit oder ohne Lächeln. In der Ferne schrie ein Maultier, also mußte Azak bereits auf dem Rückweg sein, und sie war überrascht, wie tröstlich sie diesen Gedanken fand – Einsamkeit war ein ungewohntes Gefühl geworden.
Während sie
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