Dave Duncan
darauf schließen ließ, daß sein Vater es extra hergestellt hatte. Leider hatte Ugish es hinter sich hergezogen, und das konnte man auch sehen. Hier würde es keine Möglichkeit geben, sich zu waschen oder zu rasieren. Rap rappelte sich auf und nahm das Gewand. »Du kannst deinen Lendenschurz zurückhaben, vielen Dank.«
Ugish zuckte die Achseln. »Will ihn nicht. Warum muß ich mich richtig anziehen, nur weil wir Besuch haben?« »Mütter sind in solchen Dingen eben komisch.«
»Hm-hm. Warum habt Ihr nicht im Bett geschlafen?«
Rap fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und bedauerte es sofort. »Weil es voller Mäuse ist.«
Die prächtigen bronzefarbenen Augen des kleinen Gnoms wurden weit. »Auch Babies?«
»Ja. Aber du solltest sie besser für später aufheben. Wenn du dir jetzt den Appetit verdirbst, wird deine Mutter mit dir schimpfen.« Ugish nickte widerstrebend. »Sicher – wenn Ihr versprecht, es nicht den anderen zu sagen!«
Als Rap auf die große Terrasse trat, erblühten soeben die ersten pink-und pfirsichfarbenen Strahlen der aufgehenden Sonne über dem Wald aus zerbröckelnden Türmen und Türmchen hinter ihm. Warth Redoubt war zehnmal weitläufiger, als er sich vorzustellen gewagt hatte, eine eigenständige, wuchernde Landschaft. Es mußte einmal eine ganze Stadt in seinem pochenden Herzen beherbergt haben, aber sie war schon lange zu Ruinen verfallen. Zertrümmerte Pfeiler und zerbrochene Statuen lagen zwischen unkrautüberwucherten Bruchsteinen herum.
Warth thronte wie ein Vogelhorst am Rande einer riesigen natürlichen Arena. Zu allen Seiten zeichneten sich zerklüftete Gipfel dunkel gegen den heller werdenden Himmel ab.
Ishist wartete mit Darad und Gathmor. Die beiden Jotnar waren geheilt und wiederhergestellt, genau wie Rap, und wie er trugen sie weiße Gewänder. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich eine große Erleichterung, als sie ihn sahen.
»Ich dachte, Ihr würdet vielleicht gerne den Sonnenaufgang sehen«, bemerkte der Zauberer. »Hier sind wir sicher und geschützt.«
Rap hatte die okkulte Barriere, die die Terrasse schützte, bereits bemerkt, und er nahm an, daß es noch andere Bannsprüche gab, die er nicht erspüren konnte, denn es war nicht der Sonnenaufgang, den sie beobachten würden. Weit unter ihnen lag das verdorrte, öde Tal noch in der Dunkelheit, die ab und an dort unterbrochen wurde, wo erwachende Drachen bunte Feuerstrahlen in die Luft bliesen. Grollend hallte ihre Wut von den felsigen Wänden wider. Rap fragte sich, ob die Drachen eine derart riesige Grube allein hätten ausheben können, selbst wenn sie vor dem Erscheinen der Götter auf der Erde gewesen waren.
»Das ist Warth Nest«, sagte Ishist, »Heimat der größten überlebenden Feuerspeier. Zu ihren besten Zeiten ernährte sie ein Vielfaches der heutigen Tiere. Von hier aus sandte Olis’laine seine Himmelsarmee los, um die Städte des Ambly-Paktes zu zerstören. Von hier kamen auch die Todeslegionen im Zweiten Drachenkrieg.« Er redete eine Weile weiter vor sich hin und genoß es offensichtlich, ein Publikum zu haben, wie wenig es seine Bemühungen auch zu schätzen wußte. Rap wußte nicht viel über Geschichte und kam bald zu dem Schluß, daß er es auch gar nicht wissen wollte.
Schließlich wand sich ein Drachen in die Luft, bis sein dunkler Umriß gegen die Helligkeit abstach. Die Sonne blitzte hell auf seinen Schuppen und Flügeln. Schnell folgten ihm die anderen, und der Zauberer hielt inne. Die Monster waren unzweifelhaft tödlich, doch ihre Schönheit war unbestreitbar. Bald war der Himmel mit ihnen übersät, hundert oder mehr, und sie tanzten für den Morgen. Sie schwangen sich so hoch hinauf, daß man sie nicht mehr sehen konnte, stießen herab wie Falken auf der Jagd, sie wirbelten und überschlugen sich zu zweit oder in Gruppen, in wildem Durcheinander wie ein Schwarm Fische oder so diszipliniert wie Gänse. Einige waren so klein wie Ponys, andere länger als Langschiffe und älter als historische Städte. Ihre Stimmen brüllten und klangen wie alle Instrumente der Welt zusammen, hallten im Chor von den Gipfeln wider, und Rap glaubte, ganz leise ein inneres Lied zu hören, die geheime Melodie eines Drachen, der einem anderen Drachen ein Ständchen bringt. Sie glitzerten in den Farbtönen von Perlen, Tau und Schmetterlingsflügeln; sie strahlten wie ein Ball zum Winterfest. Auf einmal waren sie das Prächtigste und Furchteinflößendste, das er je gesehen hatte. Er
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