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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit dem unerträglichen Gestank des Schlachthofes. Er brachte die Geräusche von Vieh, das in den Gattern schrie, und das Rauschen der Wellen auf dem Kies. Männer und Frauen eilten vorbei, eingehüllt in die Anonymität ihrer Pelze; sie gingen vornübergebeugt und dicht zusammengedrängt gegen die Kälte wie große, unglückliche Bären.
    Als er zwischen den grotesken Bergen von Lebensmitteln hindurchwanderte, fragte sich Rap, wie viele Wagen dafür nötig gewesen waren. Er fragte sich auch, wie viele Tage noch Zeit war, bis die Straße gesperrt würde. Doch das waren Foronods Probleme, nicht seine. Der Verwalter des Königs mußte ein Mann sein, der lesen und schreiben konnte; was immer Rap also auch im Dienste der Krone tun würde, wenn er ein Mann war, er würde nicht den Posten eines Verwalters übernehmen. Er fand die Schlange derer, die auf das Essen warteten, und stellte sich hinten an und bemerkte, daß die meisten der Männer und Frauen genauso lustlos und schmutzig aussahen wie er.
    »Hi, Rap! Du bist gewachsen!« sagte die Frau vor ihm.
    Ihr Name war Ufio, sie war die Frau von Verantor, und sie war hübsch. Rap grinste und sagte, es tue ihm leid, das habe er nicht gewollt, und fragte, wie es dem Baby ging. Es erschien ihm wie Wochen, seit er zum letzten Mal eine Frau auch nur gesehen hatte, geschweige denn, daß er mit einer hatte sprechen können.
    Männer, die er kannte, kamen an und begrüßten sich; alte Freunde, Leute, die er monatelang nicht gesehen hatte. Auch sie sagten zu ihm, er sei gewachsen.
    Vor ihm wurde die Schlange kürzer, hinter ihm länger. Er zitterte am ganzen Körper vor Kälte und hüpfte von einem Bein auf das andere. Er grübelte darüber nach, welche Aufgabe er als nächstes bekommen würde. Er befand sich jetzt genau in der Mitte zwischen zwei Welten: zu alt für die besten Jobs der Kinder, zu jung, um mit Männeraufgaben betraut zu werden. Was auch kam, er würde sein Bestes tun. Das war eines der Prinzipien seiner Mutter gewesen.
    Dann trottete er über den Kies davon und hielt einen Becher mit etwas Heißem und einen Teller, auf den dampfendes Rindfleisch gehäuft war. Auf der Suche nach Wärme betrat er eine der Hütten. Sie war vollgestopft wie ein Sardinenfäßchen. Auf der einzigen Bank drängten sich Menschen, und auch der Boden war von essenden, redenden oder schnarchenden Menschen überfüllt. Die Luft war so dick wie Walöl und roch nach Menschen und Essen, aber wenigstens war er vor Wind geschützt. Eine Lampe tropfte in der Mitte auf einen schmutzigen Tisch. Er fand ein Plätzchen, sank auf den Boden und machte sich daran, sein Essen zu verschlingen.
    »Du bist gewachsen!« sagte ein Mann neben ihm.
     
    Rap blickte ihn aus den Augenwinkeln an und drehte den Kopf zur Seite, damit Licht auf sein Gesicht fiel.
    »Lin? Du hast eine neue Stimme!«
»Das wurde auch Zeit!« Lin sprach mit tief empfundener Genugtuung. »Wie geht es dem Arm?« fragte Rap mit vollem Mund.
    Lin schaute überrascht auf seinen Arm hinunter, als habe er seinen sommerlichen Unfall bereits vergessen. »Gut.«
     
    Rap zeigte mit dem Kopf auf die Tür. »Die Arbeit?« murmelte er, immer noch kauend.
    Lin zuckte die Achseln. »Sie sagen, es geht, wenn sich das Wetter hält.« Bei Sonnenuntergang war der Himmel schwärzer gewesen als die Mauern des Schlosses, aber niemand sprach darüber. Draußen rumpelte ein Wagen vorbei und ließ den schmutzigen Boden erzittern.
    »Was gibt es Neues?« fragte Rap. »Ich bin diesen Sommer regelrecht in den Bergen steckengeblieben.«
    »Nicht viel«, kiekste Lin. Erblickte Rap, der in sich hineinlachte, finster an und es gelang ihm, wieder zu einer tieferen Tonlage zu finden. Er zählte einige Geburten und Hochzeiten und Todesfälle auf. »Man sagt…« Seine Stimme senkte sich zu einem heiseren Flüstern. »Man sagt, der König sei krank.«
    Rap runzelte die Stirn und kaute auf einer Rippe herum, und er dachte an Inos, die weit weg in Kinvale war. Sie würde natürlich nichts davon wissen und sich deshalb auch keine Sorgen machen. Aber was passierte, wenn der König starb und sie nicht hier war, um seine Nachfolge anzutreten? Die Vorstellung von Inos, die plötzlich zur Königin erhoben wurde, überwältigte ihn. Doch krank zu sein bedeutete ja nicht notwendigerweise auch, daß der Tod folgte.
    Dann fühlte er sich voll wie ein Bär, als müsse er niemals wieder etwas essen und könne bis zum nächsten Frühling schlafen, und er stellte seinen Teller und den Humpen

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