Dave Duncan
einen besorgten Blick über das Glas des Fensters. Wasser tröpfelte an den Rändern herein. »Wenn Ihr vorhersagen könnt, wo wir morgen sein werden, dann seid Ihr mehr als ein Geweihter. Ihr müßt den Fahrplan der Allem kennen. Malfin…«
»Ich weiß, daß wir frühestens in vier Wochen in Vislawn erwartet werden. Ich wünschte beinahe, ich hätte nicht auf Ishists verrückte Ideen gehört. Sogar zu Fuß wäre ich schneller in Hub gewesen.«
Sagorn fletschte verächtlich die Zähne. »Also wart Ihr vielleicht doch nicht ganz der freie Reisende, der Ihr zu sein hofftet? Versteht Ihr nun, warum Ihr mich hättet fragen sollen, bevor Ihr derart übereilt vorgingt?«
Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Rap Wut über die höhnischen Bemerkungen des alten Mannes verspürt. Jetzt war er nur traurig über die engstirnige Gehässigkeit, die sie hervorbrachte.
»Ich habe es so verstanden, daß ein Leibeigener nicht einfach an die Tür eines Hexenmeisters klopfen und um Einlaß bitten kann.«
»Ich habe Freunde in Hub, die eine Audienz hätten arrangieren können.« »Schnell?«
»Vielleicht nicht sofort«, gab der Gelehrte zu.
»Also ist dieser Weg letztlich vielleicht doch schneller?«
Sagorn nickte widerwillig. »Sobald Ihr Ilrane erreicht, werdet Ihr sofort nach Valdorian weitergeleitet. Da habe ich keinen Zweifel. Die größten Zauderer der Welt sind die Zollbeamten von Dwanishia, aber die Elfen folgen dicht auf, und es gefällt ihnen nicht, wenn Fremde durch Ilrane streifen. Ein Elf jedoch, der die Hehre Herausforderung ausgesprochen hat – der ist eine Staatsangelegenheit! Ihr werdet wie Eis verschifft werden, Hals über Kopf.«
»Wie lange also?«
Sagorn zuckte die Achseln. »Sechzig Meilen vielleicht. Ein langer Tagesritt auf guten Pferden.«
Sechzig Meilen an einem Tag? Während Rap diese erstaunliche Aussage noch verdaute, erhob sich Sagorn steif. Unsicher schwankend schloß er die Fensterblende. »Die Frage könnte hypothetisch sein, versteht Ihr? Die Anker sind zwar gelichtet, aber wir können die Bucht von Noom noch nicht verlassen haben. Unsere Lage ist prekär.« Er setzte sich wieder, vermutlich viel schwerfälliger, als er beabsichtigt hatte.
Ein Steward lief schlingernd über den Gang und rief mit einer Glocke zum Abendessen. »Ich glaube nicht, daß ich den Weg in den Speisesaal auf mich nehmen werde«, murmelte Sagorn. »Und Andor hätte keinen Appetit. Jalon würde vielleicht ein gutes Essen zu schätzen wissen, doch die Mannschaft kennt keinen von uns…«
»Ich sehne mich immer noch nach diesem gebratenen Schweinefleisch«, meinte Rap. Zeit zu gehen, und daher Zeit für einen direkten Angriff. »Ich bin auf Eure Motive neugierig, Doktor. Und die Eurer Freunde. Andor, Jalon und Darad haben mir alle die Hand geschüttelt. Jeder von ihnen hat mir versprochen, mir zu helfen, wenn ich ihnen hinterher ebenfalls helfe. Euch und Thinal habe ich noch nicht gefragt. Aber ich war sehr überrascht, Andor an Bord kommen zu sehen. Treue ist nicht Andors Lieblings-Zeitvertreib.«
Der alte Mann wurde rot. »Er hegt die Vorstellung, Euch irgendwann auf der Reise Euer Wort der Macht zu entlocken.«
Rap schüttelte den Kopf.
Der Weise sah in finster an. »Vielleicht begleiten wir Euch nicht ganz bis nach Vislawn. Der Fahrplan sieht Aufenthalte in Malfin und Dal Petr vor und…«
»Nein. Andor ist auch nicht übermäßig mutig. Er würde nicht ohne guten Grund eine Seereise riskieren, und er würde tausend Wegstunden weit laufen, um sich von einem Hexenmeister fernzuhalten. Darf ich schließen, daß Ishist Euch fünf mit einem Zwang belegt hat, mich zu Lith’rian zu begleiten?«
Sagorn erblaßte. »Gewiß nicht!«
»Dann liegt die Frage nahe, was Euer Freund in Noom Euch noch erzählt hat?«
Sagorn fletschte seine gelben Zähne. »Ihr werdet zu schlau, junger Mann! Also gut. Inosolan ist tot!«
Nein!
Rap sah sein eigenes Gesicht und war sicher, daß er keine Reaktion gezeigt hatte, und Sagorns offensichtliche Enttäuschung bestätigte das. »Wer sagt das?« fragte Rap mit eisigem Gesicht. Nein! Nein! Nein! »Emshandar. Er hat den Senat entsprechend informiert, als er über Krasnegar Bericht erstattete.«
»Und wer hat es dem Imperator erzählt?«
»Ich weiß es nicht.«
Sagorn log nicht. Sein namenloser Freund hätte keinen Grund gehabt, ihn anzulügen. Vor Monaten, in der Nacht, als Rap Inos irgendwo in der Wüste von Zark gesehen hatte, wußten mindestens drei Wächter, wo
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