Dave Duncan
sie war, und mindestens zwei von ihnen hatten sie entführen wollen. Wenn Hub glaubte, sie sei tot, dann war etwas schiefgegangen. Rap kämpfte gegen schiere Verzweiflung an, aber er glaubte, daß seine Vorahnung ihm half. Irgend etwas an dieser Geschichte klang nicht echt. »Das glaube ich nicht.«
Sagorns Buch begann wegzurutschen. Er griff zu spät danach, und es glitt plötzlich an das Ende der Koje. Er verlor wieder das Interesse daran, lehnte sich zurück und lächelte Rap höhnisch an.
»Je älter und klüger Ihr werdet, um so mehr wird Euch klar werden, daß die erste Reaktion auf schreckliche Ereignisse oft die Ablehnung ist. Der Verstand weigert sich einfach, es zu glauben, und die Gefühle haben die Oberhand. Aber diese Neuigkeit kommt wohl kaum unerwartet. Schon bald werdet Ihr sie akzeptieren.«
»Und dann?«
»Und dann werdet Ihr sehen, daß Eure Suche beendet ist. Sie ist unmöglich geworden. Nach der Vereinbarung, die Ihr mit den anderen getroffen habt, seid Ihr jetzt moralisch verpflichtet, uns zu helfen. Ich apelliere an Euch, das zweite Wort mit uns zu teilen.«
Rap sagte nichts, sondern dachte wütend nach.
Sagorn runzelte die Stirn. »Stimmt, so genau wurde das nicht gesagt. Meine Gefährten haben es versäumt, vernünftige Bedingungen mit Euch auszumachen. Aber gewiß habt Ihr eine ethische Verpflichtung.« Er war nicht annähernd so selbstbewußt wie er tat, aber Anders Entscheidung, an Bord zu gehen, war jetzt erklärbar.
Ishist hatte Rap gesagt, er solle seinen Vorahnungen vertrauen. »Ich glaube es nicht«, wiederholte er stur.
»Pfui! Ihr seid kindisch! Sie ist vielleicht schon in der Nacht gestorben, als die Zauberin…«
»Sie lebte noch, als wir in Milflor waren.«
»Woher wißt Ihr das?« brüllte Sagorn.
»Egal! Ich will wissen, wer es dem Imperator erzählt hat.«
»Dann geht nach Hub und fragt ihn!«
»Wer hat die Macht? Er oder der Senat?«
Sagorn kniff die Augen zusammen. »Vor zehn Jahren – noch vor fünf Jahren – konnte Emshandar die Senatoren zum Tanz in ihren Nachthemden antreten lassen. Heute… wer weiß?«
»Krasnegar war für ihn also ein Ärgernis. Es war vielleicht einfacher, eine Lösung ohne Inos zu finden, also vielleicht… vereinfachte er die Dinge?«
Sagorn lachte spöttisch.
Es klang sogar in Raps Ohren schwach, aber er blieb fest. »Ein junge Königin in einer Notlage, Legionäre, die bei dem Versuch, ihr zu helfen gestorben waren, und Emshandar wollte ihr Königreich an die Thans geben, aber die Senatoren haben vielleicht…«
»Wunschdenken!«
Und doch…
»Der Imperator hat vielleicht gelogen!«
Ja! sagte die Vorahnung. Weiter! Weiter!
Oder war das auch nur Wunschdenken? O Inos!
»Euer Optimismus ist so unglaublich wie Euer Anspruch auf die Wahrheit«, sagte Sagorn. »Warum sollten die Wächter eine solche Lüge unterstützen? Sagt mir, was Ihr in Milflor erfahren habt.« Seine Neugier brachte ihn beinahe um, und er versuchte, es nicht zu zeigen.
Rap, der allmählich Mitleid mit ihm bekam, begann ihm von der Nacht zu erzählen, als er Bright Water und Zinixo getroffen hatte, und von den sonderbaren Vorgängen im Gazebo. Reden war eine willkommene Ablenkung. Er erzählte alles – wie die beiden Wächter Little Chickens Zukunft gesehen, wie sie sich gegen Olybino verbündet, wie sie Inos in dem okkulten Spiegel beobachtet hatten, und wie er versuchte hatte, Inos zu warnen.
Als er fertig war, nahmen die Offiziere und eine Handvoll Passagiere im Speisesaal gerade den dritten Gang ein, und Schatten wirbelten wild durch die Kabine, und Rap mußte brüllen, um den Sturm zu übertönen. Sagorn war an sich ein äußerst ungewöhnlicher Jotunn, aber er ignorierte das furchterregende Wetter wie ein echter Jotunn und hörte hingerissen zu.
»Ihr glaubt, sie hat Eurer Warnung Beachtung geschenkt und ist entkommen?« fragte er schließlich zweifelnd.
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.«
»Es erscheint mir unwahrscheinlich, daß es ihr gelungen sein könnte. Und jetzt kann ich Euren rührenden Glauben noch weniger akzeptieren. Ich würde eher annehmen, daß es einen Streit um sie gegeben hat, und daß sie zufällig zwischen die Fronten geriet. Oder sie versuchte zu entkommen, wie Ihr es ihr geraten habt und ist in ihr Unglück gelaufen. Die Wächter haben es dem Imperator erzählt.«
Rap sank der Mut.
»Wir haben nicht genügend Informationen«, räumte Sagorn ein. »Was wir auch folgern, es können nur Spekulationen sein.«
Rap
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