Dave Duncan
beobachtet uns! Bitte geht!«
»Nicht bevor Ihr es mir sagt.«
»Die Wächter brauchen Euch nicht! Das Problem Krasnegar ist gelöst. Ihr seid ein Nichts, Inosolan! Nichts!«
Sie zuckte zusammen. Doch irgendwie war es auch ein Trost, wenn die eigenen schlimmsten Befürchtungen bestätigt wurden und die Unsicherheit beseitigt. Jetzt konnten die schönen Hoffnungen beiseite gelegt werden. Jetzt konnte Krasnegar vergessen werden, denn wer dort in Zukunft auch regierte, man würde es einer ehemaligen Königin nicht gestatten, zurückzukehren. Andere Alternativen konnten ausgelotet werden, und Inos konnte anfangen, einige Pläne zu machen. Der Schmerz… der Schmerz konnte warten.
»Warum macht man sich also die Mühe, uns zurückzuschicken?«
Skarash blickte verlangend auf den Kai, als frage er sich, ob er in Sicherheit springen und in der Menge verschwinden sollte. Schließlich warf er einen weiteren verstohlenen Blick auf Azak und wurde bleich.
»Als Botschaft an Rasha. Sie ist ebenfalls ein Nichts! Olybino ist der Stärkere – er hat ihren Loyalitätsbann gebrochen. Großvater war ihr Jünger, und jetzt ist er seiner. Er kann Rasha ebenso versklaven!«
Aha!
»Bitte, Inos!« flüsterte Skarash. »Habt Gnade! Ihr bringt mich um. Er ist immer noch Sultan dieser Stadt, und Großvater ist nicht hier, um mich zu schützen.«
Inos zögerte zunächst, doch schließlich nickte sie. »Ich werde den Kuß nicht vergessen«, sagte sie mit süßer Stimme. Sollte er sich doch Gedanken darüber machen, was das bedeuten konnte! Sie drehte sich um und ging zurück zu Azak, der sie anstarrte, und suchte sich vorsichtig ihren Weg durch Seile, und Gepäckstücke und herumeilende Seeleute.
Jetzt lagen die Dinge ein wenig klarer vor ihr.
»Nun?« fragte Azak. In seinem finsteren Blick schien ein winziges Zwinkern erkennbar, das in Inos die Frage aufkommen ließ, wie viel er absichtlich bei der Befragung von Skarash geholfen hatte.
»Rasha weiß, daß wir kommen. Olybino hat uns als Drohung zurückgeschickt – seine Zauberfähigkeiten sind stärker als die ihren. Sie ist jetzt selbst in Gefahr.«
»Götter des Guten!« Das Gesicht des großen jungen Mannes wurde von einem breiten Lächeln überzogen.
Aber Rasha war immer noch eine Zauberin, und sie würde im Palast auf sie warten.
2
Nichts!
Während der gesamten Verbeugungen, der Kniefälle, der Begrüßungsreden, hallte der furchtbare Satz in ihrem Kopf wider.
Ihr seid ein Nichts, Inosolan!
Während die Musikgruppe spielte und die Prozession sich langsam die lange, hügelige lange Straße zum Palast hinaufbegab, saß sie mit Kade in einer sittsam abgeschirmten Kalesche, in Begleitung zweier anonym verhüllter Frauen, deren Gegenwart jegliche Gespräche im Keim erstickte.
Sie dachte darüber nach, ein Nichts zu sein. Wenn ihr Königreich verloren war und sie ein Nichts, dann war sie doch sicher auch zuvor nichts gewesen? Inosolan war schon immer nichts gewesen. Krasnegar war alles gewesen. Das war bitter.
Die Mengen jubelten nicht ihr zu – sie konnten gar nicht wissen, wer in dem dunklen kleinen Ofen saß, der auf seiner ungefederten Achse dahinholperte. Sie knieten nieder, Gesichter im Staub, und sie ließen ihren Sultan auf seinem großen schwarzen Pferd hochleben. Sie riefen Azak! Azak! Azak!, aber in Inos’ Ohren klang es genau wie Nichts! Nichts! Nichts!.
Jetzt brauchte sie sich keine Sorgen mehr um Krasnegar zu machen. Jetzt stand es ihr frei, Alternativen in Betracht zu ziehen. Davon gab es nicht viele.
Sie hatte kein Vermögen. Sie beherrschte kein Gewerbe. Ihre Handarbeiten waren skandalös, ihr Lautenspiel peinigte die Ohren. Wer hatte schon einmal von einem weiblichen Stallknecht gehört oder einer Köchin, die das Essen zwar fangen oder erjagen, nicht aber zubereiten konnte? Mit ihrem königlichen Titel war sie für Ränkespieler wie die Herzoginwitwe von Kinvale leichte Beute gewesen. Ohne könnte sie vielleicht Gouvernante werden oder Tanzlehrerin. Oder sie könnte einen reichen, fetten Kaufmann heiraten, der darauf hoffte, in die Gesellschaft aufzusteigen und ein wenig Führung in Fragen des vornehmen Benehmens brauchte.
Eine Chance hatte sie natürlich. Zweifellos konnte sie schon bald die Fähigkeiten erwerben, die nötig waren, um Vorteile für sich zu erlangen; doch dieser Weg führte sie in jene Niederungen, die Rasha kennengelernt hatte, den Morast, aus dem so gut wie niemand außer Rasha je entkommen war.
Nichts!
Falls ihr
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