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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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vor wenigen Monaten. Seine Handgelenke, die aus den Ärmeln der schweren blauen Robe hervorlugten, waren so mager wie die eines Jungen. Er war unruhig, konnte nicht still sitzen, lief zwischen dem Fenster und dem Kamin hin und her, wobei er seine rechte Seite festhielt und die meiste Zeit seine Zähne fest zusammenbiß.
    Rap saß sehr aufrecht auf der äußersten Kante eines dick gepolsterten Lederstuhls und fühlte sich unbehaglicher, als er jemals für möglich gehalten hätte. Da hatte er die größten und kräftigsten Hände weit und breit und wußte jetzt nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Er trug seine besten Kleider, die in Wirklichkeit nur seine besseren Sachen waren, denn er besaß nur zwei Wamse, und beide waren ihm zu klein. Seine Stiefel waren sauber, nachdem er eine ganze Stunde an ihnen gearbeitet hatte, und doch war er sicher, daß Seine Majestät den Pferdegeruch riechen konnte. Er hatte sich rasiert und geschrubbt und sein widerspenstiges braunes Haar mit Eiweiß geglättet, wie es seiner Meinung nach seine Mutter manchmal getan hatte; aber vermutlich stank er immer noch nach den Hunden, mit denen er im letzten Monat sein Zelt geteilt hatte. Als er an seine Hunde dachte, überkam ihn der unerträgliche Wunsch, sich zu kratzen.
    Der Himmel hinter den Fenstern war blau. Die Wagen fuhren wieder, und der Sturm hatte sich mit der Flut gelegt.
    Als der König ihm gedankt hatte – denn deswegen war Rap herbefohlen worden – hatte Rap den Sonnenschein erwähnt. Seine Bemühungen waren alle vergeblich gewesen, unnötig. Seine Majestät hatte gesagt, das spiele keine Rolle, es sei der Versuch, der zählte. Krasnegar solle ihm so dankbar sein, als habe er es tatsächlich vor einer Hungersnot bewahrt.
    Jetzt schien es dem König Mühe zu bereiten, die richtigen Worte zu finden oder zu entscheiden, ob gewisse Worte ausgesprochen werden sollten. »Master Rap«, begann er und hielt wieder inne. »Ist das Euer richtiger Name oder eine Kurzform?«
»Das ist mein Name, Sire«, sagte Rap automatisch, dann erinnerte er sich, daß er mit dem König sprach. Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, fuhr der König fort.
    »Mit dem letzten Schiff habe ich Briefe erhalten.« Er schwieg, um aus dem Fenster zu sehen. »Inosolan und ihre Tante sind sicher in Kinvale angekommen.«
    Rap wußte nicht, was er sagen sollte und hatte Angst, rot zu werden. »Danke, Sire.« Hononin hatte ihm gesagt, er solle manchmal Sire statt dauernd Eure Majestät sagen. Nächstes Mal müßte er Eure Majestät sagen, weil er zweimal nacheinander Sire gewählt hatte.
    »Ich dachte, Ihr würdet das vielleicht gerne wissen«, murmelte der König. Er drehte sich um und ging hinüber zum Kamin.
    Das Studierzimmer des Königs war ein einschüchternder Raum, größer als der Schlafraum, in dem Rap die vorherige Nacht mit sechs anderen Jungen verbracht hatte. Das Zimmer stand voller schwerer Ledermöbel und Bücher, Schatten, die von dem glühenden Torf im Kamin und den Wollteppichen auf dem Boden geworfen wurden, spukten herum – ein braun-goldenes Zimmer. Tische waren mit Papier übersät, das zu Haufen geschichtet oder gerollt oder lose herumlag. An den Wänden hingen Karten, mit einer geheimnisvollen Schrift überzogen, die Rap nicht entziffern konnte. Eine massive, in Eisen gefaßte Truhe in der Ecke enthielt viele Dinge, unter anderem die Krone des Königs… ärgerlich befahl Rap seinem Verstand, nicht so neugierig zu sein.
    Das Feuer beeindruckte ihn. Es war wirklich ein königlicher Luxus, so früh im Winter, wenn die Sonne noch schien, den kostbaren Torf zu verbrennen. Er fand es sehr warm im Zimmer – deshalb schwitzte er wohl – und dennoch ging der König immer wieder zum Kamin, als friere er unter seiner dicken Robe, seiner tiefblauen Robe mit goldenem Besatz. Das ziellose Herumlaufen erinnerte an einen Bär in der Falle, in eine Ecke gedrängt von immer näher kommenden Hunden.
    »Freund Rap, ich muß mich bei euch entschuldigen.«
     
    Rap schluckte, und er platzte heraus »O nein, Sir!« und vergaß Eure Majestät.
    Dem König schien das nicht aufzufallen. »Niemand hat mir von den Fähigkeiten Eurer Mutter erzählt, doch ich hätte es nach Eurer ersten Heldentat auf dem Damm ahnen müssen. Vielleicht hätte ich auch mehr dem Urteilsvermögen meiner Tochter trauen sollen.« Er sah den Anderen Mann reumütig an.
    Der Andere Mann half Rap nicht über seine Nervosität hinweg. Er war älter und groß und hatte weiße Haare. Seine

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