Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
kannte er Thinal am wenigsten. Der Bursche war in den letzten beiden Tagen sehr emsig gewesen, doch stets hatte er seine Arbeit allein getan. Gathmor hatte hier und da einen Blick auf ihn erhascht, doch hatten sie nur wenig miteinander gesprochen. Der junge Imp, schwach und gerissen, war ebenso schwer zu beschreiben und kaum definierbar.
    »Also kommt«, fuhr er ihn an. »Ich brauche meine Sachen.« Gewöhnlicher Träger! Knurrend machte sich Gathmor an dem Bündel zu schaffen. Dann hielt er inne. »Welchen Plan genau hat der alte Mann?«
    »Kadolan«, sagte Thinal und riß sich Anders schicke Kleider vom Leib. »Darad hat sie auf einem Balkon gesehen. Er denkt natürlich nicht nach.«
    »Das habe ich mir schon gedacht. Warum sie?«
    »Beeilung! Weil sonst vermutlich niemand nahe genug an Inos herankommt, um mit ihr ein paar private Worte zu wechseln, richtig? Ein Mann sowieso nicht. Ihr wißt, wie Djinns ihre Frauen bewachen.« Er stand jetzt nackt da, stieß Gathmors Hand beiseite, und schon hielt er das Bündel in seinen diebischen Fingern. »Aber ich kann vielleicht zu ihrer Tante gelangen – sie wird wohl nicht so gut bewacht.«
    »Und was dann?«
    Thinal begann, das Bündel zu entleeren und schüttete die verschiedensten Kleidungsstücke und Gegenstände auf den Boden, welche die verfluchte Gruppe für ihre ruchlosen Heldentaten benötigte. Er fand die kurzen Hosen, die er gesucht hatte, und zog sie an, wobei er auf einem Fuß herumhüpfte; schließlich ging er auf die Jagd nach seinen Schuhen. Diebe verabscheuten weite Roben.
    »Dann Jalon.«
    »Jalon?« Gathmor glaubte nicht, daß er immer so begriffsstutzig war. Die okkulte Bande versuchte absichtlich, ihn zu verwirren. Sagorn war ein Intrigant und Thinal ein Gauner. Er selbst war nur ein ehrbarer Seemann.
    Thinal zog das Schwert hervor und hängte es sich auf den Rücken. Es hatte eine feine zwergische Klinge, doch der Griff war so auffällig, daß genausogut Aus dem Palast von Arakkaran gestohlen darauf hätte geschrieben stehen können. Sobald Thinal erst einmal auf Palastboden war, konnte er jederzeit Darad rufen, falls Gewalttätigkeit vonnöten war. Er lugte zu Gathmor hinauf. »Dann… dann werden wir improvisieren. Habt Ihr einen besseren Plan?« »Nein«, gab der Seemann wütend zu. »Aber ihr. Raus damit!«
    »Inos sagt Jalon ihr Wort. Als Geweihte retten wir Rap… Wartet nicht. Es könnte den ganzen Tag dauern oder noch länger. Wartet auf uns…« Er hielt inne, um nachzudenken. »Im Nordstern, morgens, abends und mittags? Wenn in zwei Tagen keiner von uns auftaucht, sind wir tot. In Ordnung?«
    »Warum Jalon? Und solltet Ihr Euch nicht eine schattigere Mauer zum Hinüberklettern aussuchen?«
     
    »Nicht um diese Zeit. Niemand in der Nähe.«
    Gathmor öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber es war zu spät. Der Junge ließ den Seemann zwischen den herumliegenden Kleidern zurück, rannte über die leere Straße und schien die Wand auf der anderen Seite regelrecht hinauf zu fliegen. Im Nu war er dahinter verschwunden.
    Gathmor wartete darauf, Rufe der Entdeckung zu hören, doch es blieb still.
    Er seufzte und beugte sich hinunter, um die Sachen wieder in das Bündel zu packen.
Plötzlich richtete er sich wieder auf.
Einen Augenblick mal!
    Rap lag im Sterben – angekettet an den Boden, seine Knochen gebrochen, seine Zunge herausgebrannt, mit Wundbrand… Selbst wenn Darad oder Thinal Geweihte werden würden, wären sie immer noch keine Zauberer. Vielleicht retteten sie Rap, aber sie konnten diese schrecklichen Wunden nicht heilen!
    Aber wußte Inosolan, daß Rap sich in diesem Zustand befand? Wenn sie glaubte, daß er lediglich in eine Zelle gesperrt war, würde sie die Geschichte der Bande sehr wohl glauben und ihr Wort der Macht verraten – und das würde Rap verdammt noch mal wenig nützen!
    Die Stille der Nacht wurde durch einen Ausbruch von Jotunnflüchen durchbrochen.
    Natürlich hatten sie ihn hereingelegt!
Und sie würden auch Inos hereinlegen!
Und Rap würde trotz allem sterben.

6
    »Shandie! Shandie! O mein armes Baby! Shandie!«
    Die Stimme kam aus weiter Ferne, aus sehr weiter Ferne. Sie klang viel lauter, als eigentlich möglich war, denn es war Tante Oros Stimme, und sie hatte eine sehr leise Stimme, immer, und sie schrie niemals.
    Er lag mit dem Gesicht nach unten.
Er schlief. Der Raum war dunkel, das Bett weich. Schlafen. »Shandie!«
    Er lächelte. Er war froh, daß sie gekommen war, und hoffte, sie würde in der

Weitere Kostenlose Bücher