Dave Duncan
riskiere?«
Wollte er, daß sie ihm einen Lohn anbot? Er konnte alles stehlen, ganz gleich, was er sich wünschte. Ihre Zunge fühlte sich trocken an. »Nicht für mich. Für Inosolan.«
»Ich gebe keinen Heller für Inosolan! Würde sie ihr Leben für mich riskieren?«
Kadolan fiel keine passende Antwort ein.
»Ihr braucht mich!« Er klang überrascht. »Selbst wenn Ihr mich dazu bringen könntet, einen der anderen zu rufen, sie wären nutzlos. Nur ich kann vom Balkon hinunterklettern. Nur ich kann diese Tür öffnen! Ihr alle braucht mich!« Er grinste noch breiter.
»Was wollt Ihr?«
»Das Wort. Jetzt! Dann werde ich es Rap verraten.«
»Ihr erwartet, daß ich Euch vertraue?«
»Ihr habt keine Wahl, Lady!« Selbst dieses winzige Flüstern war mit unbändiger Freude erfüllt. Wie oft hatte dieses Gassenkind sich schon einem anderen Menschen überlegen gefühlt oder die Macht zu feilschen gehabt?
»Nein. Ich verrate das Wort Rap oder niemandem. Es ist zu schwach, um noch weiter geteilt zu werden.«
Er zuckte die Achseln. »Dann bin ich verschwunden. Die ganze Idee war sowieso Unsinn. Es ist schon Morgen.« Er ging zurück durch den Korridor.
»Halt!« rief Kadolan so laut sie es nur wagte. »Oder ich schreie!« Sie erhob eine Faust, als wolle sie gegen die Tür trommeln, in der Hoffnung, daß ein Fassadenkletterer in der Dunkelheit besser sehen konnte als sie.
Er blieb stehen und drehte sich um.
»Wachen?« fragte sie. »Dort draußen sind Wachen. Ich werde sie rufen.«
»Dumme alte Schachtel!« Er trat einen Schritt auf sie zu, und sie erwartete halb, Darads Hände an ihrem Hals zu spüren zu bekommen.
»Was ist mit Rap?« fragte sie verzweifelt. »Inos würde also für Euch nicht ihr Leben riskieren – würde er es tun? Für einen Freund?« Das war die wildeste Vermutung, die sie je in ihrem Leben angestellt hatte.
»Natürlich nicht! Nun, nicht, solange…« Seine Stimme veränderte sich. »Aber ich nehme an, er ist verrückt genug, um… In Noom, als Gathmor… Wenn… Oh, Mist! Das mußtet Ihr einfach sagen, oder?« Thinal trat hinter ihr an die Tür, machte irgend etwas mit dem Obstmesser, und das Schloß klickte…
Andor schnappte sich das Schwert aus Kades Hand und warf die Tür auf, stürmte hindurch in helles Lampenlicht und blieb schwankend und blinzelnd stehen. Kade folgte ihm – und wich zurück.
Im Vorzimmer befanden sich zwei Wachen, das war richtig. Es lagen viele Waffen herum, und Kleider und Kissen waren über den Boden verstreut. Ebenso die Wachen selbst, Und ebenso vier Frauen. Alle sechs schliefen, alle unbekleidet. Es roch wie in einem Weinlokal.
Andor bekam einen Schluckauf, taumelte und…
Sagorn steckte das Schwert ungeschickt in die Scheide Kadolan folgte ihm quer durch den Raum und versuchte, ihre Augen von den Überresten der Orgie abzuwenden, doch es war unmöglich. Nur wenige Stellen auf dem Boden konnten unbedenklich betreten werden, und sie mußte ihre Röcke raffen, damit sie nicht über Körper und Glieder strichen. Sie seufzte erleichtert auf, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Glücklicherweise hat Thinal Euch nicht gezwungen Farbe zu bekennen«, bemerkte Sagorn und reichte ihr auf den Stufen den Arm – vielleicht ließ er sich auch von ihr stützen; zwei alte Narren, die eine Flucht von unbeleuchteten Stufen hinunterstolperten, in einem Palast, der bewacht wurde wie ein Lager.
»Ich hatte bemerkt, daß einige der Mädchen häufig gähnten.« »Westen.«
»Ich bitte um Verzeihung?«
»Wir sind soeben nach Westen abgebogen. Ich merke mir den Weg.« »Oh, das ist nett.«
Schließlich hatten sie die Stufen hinter sich, und eine kurze Erkundungstour brachte sie in den Küchentrakt, groß und widerhallend und voller Gestank nach altem Fleisch. Junge Knechte schnarchten in Ecken und unter Tischen. Bald würden sie geweckt, damit sie ihre ersten Pflichten erledigen konnten, doch wahrscheinlich würden sie kaum gut gekleidete Personen ansprechen, und noch weniger wahrscheinlich Alarm schlagen. Die Eindringlinge bahnten sich ihren Weg durch die Schatten von einer tropfenden Laterne zur anderen, von Fenster zu Fenster. An Kades Unterrock raschelte etwas – vielleicht Ratten oder noch Schlimmeres. Kadolan dachte an Schlangen und Skorpione und war sich nicht sicher, ob sie lieber mehr oder weniger Licht gehabt hätte. Kakerlaken groß wie Terrier! Hätte in Krasnegar irgendeine der Palastküchen so ausgesehen wie diese hier, Mistress Aganimi
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