Dave Duncan
Er wartete auf eine Reaktion und fügte dann gereizt hinzu: »Und danach müßtet Ihr natürlich ein privates Gespräch arrangieren. Das sollte doch möglich sein, denke ich.«
Kadolan holte tief Luft. »Die Worte zu teilen ist stets sehr riskant, nicht wahr? Ihr selbst habt uns das erklärt. Selbst verständlich steht Eure eigene Integrität außer Frage, Doktor, doch falls Inosolan ihr Wort mit Euch teilt, könnt Ihr dann dafür garantieren, daß Eure Mitverfluchten sich hinterher gut benehmen? Oder würde es ihr so ergehen wie der Frau in… Fal Dornin, war es, glaube ich?«
Er seufzte. »Sie wird hier sehr gut bewacht, Ma’am.«
Der erste Atem des Morgens berührte die Vorhänge mit leichter Ungeduld. Die Zeit verrann.
Sie schluckte den Kloß hinunter. »Das ist unmöglich. Der Sultan und die Sultana sind nicht zugegen.«
Sagorn ließ unter Zischen einen Luftstoß aus. »Wann erwartet Ihr ihre Rückkehr?«
»Frühestens in zwei Wochen«, antwortete sie vorsichtig. Das stimmte. Schweigen. Sie sah, wie er sich die Wange rieb. Der Himmel hinter den Fenstern wurde heller. Hier brach der Morgen ziemlich schnell an.
»Zu spät, Doktor?«
»Ja.« In seiner Stimme klang die Niederlage durch, und Kadolan gefiel nicht, was das bedeuten konnte.
»Habt Ihr etwas über Master Raps Zustand gehört?« fragte sie.
Die schlaksigen Umrisse schienen tiefer in die Polster zu sinken. »Nicht gut, Ma’am! Gar nicht gut.«
Hm! Das hatte er zuvor nicht erwähnt, und sie fragte sich, warum wohl. Es hätte die Bitte noch dringender gemacht.
Ihm ein Wort der Macht geben, also wirklich!
»Wäre es nicht in jedem Falle eine bessere Strategie gewesen, wenn Inos ihr Wort direkt an Master Rap weitergegeben hätte? Einen Magier könnte man nicht gefangen halten; das hat sogar Prinz Kar gesagt. Und das hätte auch viel besser zu den Befehlen der Götter gepaßt, oder?«
Sagorn stieß ein hohles Lachen aus. »Diese Frage wäre doch rein hypothetisch. Und wie könnte die Sultana jemals in den Kerker gehen, ohne vom Sultan bemerkt und aufgehalten zu werden?«
Doch er bekam keine Antwort. Kadolans Gebete waren erhört worden. »Könntet Ihr die Zelle besuchen, Doktor?«
»Ich, Ma’am?«
»Ihr und Eure… unsichtbaren Gefährten.«
Seine blassen Augen funkelten in den schwachen Strahlen des Morgenlichts. »Warum fragt Ihr?«
Kadolan, die sich wohl bewußt war, daß sie es mit einem gefeierten Verstand aufnahm und gewiß in Kürze das Match verlieren würde, fragte weiter: »Ihr könntet eine Botschaft überbringen?«
»Möglicherweise, unter Einsatz unser aller Leben. Welche Botschaft könnte das wert sein?«
»Eine sehr vertrauliche.«
Sie brauchte den Morgen nicht, um seinen Argwohn zu spüren. »Ich wünsche, daß Ihr mich nun zu Master Rap bringt«, sagte sie fest, und sie war überrascht, wie fest sie klang, wenn sie bedachte, wie es in ihrem Inneren aussah. »Wir sollten sofort gehen, das Tageslicht ist nicht mehr fern.«
Sagorn saß mehrere lange Sekunden so still wie ein lauernder Leopard. Schließlich antwortete er. »Ich habe noch nie verstanden, wie es sein konnte, daß ein so mächtiger Zauberer, ein früherer Hexenmeister, nur drei Worte kannte.«
Es war hoffnungslos. »Doktor?« fragte sie ausdruckslos. »Wir müssen uns beeilen, wenn…«
»Inissos gab jedem seiner drei Söhne ein Wort.«
»So geht die Legende.« Sie erhob sich. »Die Worte, die jetzt bei Inosolan und Kalkor und Angilki sind. Doch das vierte ging in die weibliche Linie?«
Hoffnungslos! Kade seufzte und setzte sich wieder.
»Sprecht«, sagte er kalt.
»Ja«, gab sie zu. »Die Könige haben es nie gekannt. Als unsere Mutter starb, war Holindarn noch Junggeselle, also gab sie es an mich weiter. Doch es gehörte stets zu Krasnegar – ich nehme an, damit im Notfall ein weiteres Wort zu Verfügung stand. Als er Evanaire heiratete, habe ich es ihr natürlich verraten.«
»>Natürlich< sagt Ihr? Das würden nur wenige tun!«
Das uralte Geheimnis war offenbart. Kadolan hatte sich selbst einem Mord dargeboten. »Ich glaube nicht, daß es ein besonders mächtiges Wort ist, Doktor. Evanaire war eine sonderbar beliebte Frau, aber sie war immer ein süßes Mädchen. Und ich bewirke keine Wunder. Noch nie. Bin nur ein nutzloser, aristokratischer Parasit.«
»Und die beste Anstandsdame und Ausbilderin junger Damen im Impire!« Er schlug donnernd auf die Stuhllehne, so daß sich eine Staubwolke daraus erhob. »Ich hätte es
Weitere Kostenlose Bücher