Dave Duncan
hätte sich von den Zinnen gestürzt.
Schließlich führte eine Tür offensichtlich ins Freie.
»Bedeckt Euer Gesicht, Ma’am«, sagte Sagorn. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, das Gefängnis zu erreichen, ohne nach draußen gehen zu müssen, doch ich habe keine Zeit, lange danach zu suchen. Geht hinter mir.«
Er drückte die Riegel zurück, und die Tür kreischte in ihren Angeln…
3
Der Palast der Palmen war eine Stadt für sich. Einige der Gebäude waren miteinander verbunden, andere standen abseits in Parks. Es gab Straßen und Gassen, breite Höfe und schattige Kreuzgänge, und viele unterschiedliche Ebenen wurden durch Auffahrten und breite Treppen miteinander verbunden. Sagorn hielt sich so gut es ging in der Nähe der Wände; er hielt sich ostwärts, und meistens ging er bergab. Der Himmel über ihnen wurde langsam blau, und über dem Meer lag ein rötlicher Fleck wie ausgewaschenes Blut.
Zweimal schubste er Kade in einen Eingang, als in der Ferne Wachen vorbeigingen. An erhöhten Stellen mußte es Wachen geben, die alles überblicken konnten. Es war Wahnsinn, völliger Wahnsinn.
Schließlich brachte er sie zu einer Gasse und blieb stehen. Er wischte sich mit einer dünnen, blassen Hand über das Gesicht. Einen Augenblick lang schien er nach Atem zu ringen.
»Dies ist das Gebäude! Doch wie kommen wir hinein?«
Das Mauerwerk sah älter aus als die meisten anderen Häuser, und Kadolan bezweifelte, daß selbst Thinal es erklimmen konnte; alle Fenster waren verbarrikadiert, selbst im obersten dritten Stock.
»Wir müssen eine Tür finden«, sagte sie und ging die Gasse hinunter. Seine Schritte folgten ihr. Sie fand eine Tür. Sie war sehr klein und sehr solide, mit einem kleinen Guckloch, jedoch ohne Klinke oder Schlüsselloch.
»Bolzenloch«, murmelte Sagorn. »Hinterausgang. Kein Eingang.«
Das schien also hoffnungslos. Kadolan fuhr mit ihrer Suche fort. Es war zum verrücktwerden: die Gebäude auf der anderen Seite hatten mehrere Türen, die meisten ein paar Ellen über dem Boden, als sollten hier Wagen entladen werden. Eine Tür stand sogar angelehnt. Sie fragte sich, ob die Keller unter Bodenhöhe miteinander verbunden waren, aber wie Sagorn schon gesagt hatte, blieb ihnen nicht viel Zeit, es herauszufinden. Die Gasse führte zu einem Hof. Sie lugte vorsichtig um die Ecke, hinüber zum Haupteingang, einem imposanten Torbogen, vor dem Wachen postiert waren. Eilig zog sie sich wieder zurück.
»Es muß gehen!« sagte sie fest und ging zurück zu der unauffälligen kleinen Tür, die sie zuvor gesehen hatten. Sie blieb einige Schritte davor stehen und zermarterte sich das Hirn.
»Selbst Darad kann sie nicht niederreißen!« protestierte Sagorn. Sein tief zerfurchtes Gesicht war grau vor Sorge. »Wenn er eine Axt hätte, eine Stunde Zeit und nicht gestört würde…«
Kadolans Herz flatterte wie ein Schmetterling, und sie fühlte sich wie benommen. Irgendwo hatte sie sich dem Schicksal preisgegeben; sie war unruhig und hatte ein Gefühl nach Sieg-oder-Tod, das sie nie zuvor erlebt hatte. Hier mußte sich ihr Jotunnblut melden, ein Charakterzug eines uralten wilden Vorfahren. Sie fragte sich, ob sie womöglich einen Anfall bekommen würde, bevor das Problem gelöst war, und sie merkte, daß es ihr egal war. Sie setzte jetzt alles aufs Spiel.
»Ich kann nicht zurück, oder? Laßt uns klopfen und sehen, was passiert.«
Er schloß die Augen und erschauerte. »Dann muß ich Darad rufen.« »Andor? Wenn ich klopfe und jemand kommt, dann könnte Andor ihn dazu überreden, die Tür zu öffnen.«
Sagorn schüttelte erschöpft den Kopf. »Andor ist betrunken.«
»Betrunken? Sir Andor?« Das klang nicht nach dem kultivierten jungen Edelmann, den sie in Kinvale gekannt hatte. »Es war für einen guten Zweck.« Sagorn lehnte sich gegen die Wand und rieb sich die Augen. »Andor ist betrunken. Thinal ist von seiner eigenen Wichtigkeit ganz benommen und schwindelig von zu wenig Schlaf. Jalon wäre bei einer Eskapade wie dieser natürlich völlig nutzlos.« Er schüttelte den Kopf. »Und Ihr und ich sind beide zu alt für einen derartigen Unsinn. Es ist hoffnungslos!« »Papperlapapp! Hört zu! Wenn das eine Art Geheimausgang ist, könnte es genausogut eine Art Geheimeingang sein, oder? Diese Djinns sind alle halb verrückt nach Intrigen… Spione und Doppelagenten, die kommen, um Bericht zu erstatten? Es könnte sogar ein Türsteher in Hörweite sein, der darauf wartet, diese Leute
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