Dave Duncan
Medizin nehmen konnte, denn er fühlte sich wieder ganz nervös und unruhig.
8
Oben auf dem Abhang hielten die ersten Reiter ihre Pferde an. Hier trat der Weg zwischen den Bäumen heraus auf einen grasbewachsenen Kamm. Dankbar zügelte auch Inos ihr Pferd und brachte ihre elegante braune Stute allmählich zum Stehen. Der Atem des Pferdes stand weiß in der Höhenluft, und Inos spürte, wie der Wind ihre erhitzte Haut abkühlte. Sie blickte über eine weitere Gartenlandschaft: Felder, Farmen und Seen, die in der Abendsonne leuchteten. Ganz Ilrane war offenbar ein großes Bilderbuch.
Sie war im Winter mit einer imperialen Armee durch Taiga und Tundra geritten. Sie hatte im Sommer die Zentralwüste auf einem Kamel durchquert und die Progisten auf einem rundlichen Maultier. Doch einen Ritt wie diesen hatte sie bislang nicht erlebt. Vier Tage lang beinahe ununterbrochenes Galoppieren… Pferd für Pferd, mit frischen Gespannen… Mahlzeiten, die im Sattel eingenommen wurden, und sehr kurze Nächte, in denen sie wie ein Stein auf Stroh oder unter einer Decke auf irgendeinem, nach Zedern duftenden Dachboden geschlafen hatte… Jeder Knochen tat ihr weh, und sie war von den Hüften bis zu den Knöcheln wund. Elfen machten nichts nur halb.
Das einzig gute an der betäubenden Erschöpfung war, daß Inos keine Gelegenheit hatte, über ihren schrecklichen Irrtum nachzugrübeln.
Schließlich sah sie, was ihren Halt verursacht hatte. Sehr weit entfernt, jenseits der Hügel, zeichnete sich ein Umriß wie der eines Kiefernzapfens schwach gegen den Horizont ab. Eine Seite funkelte hell und schimmernd, die andere war blau und wirkte auf die Entfernung ein wenig verschwommen. So nah war sie einem Himmelsbaum noch nie gekommen. Weiter dahinter waren noch schwächer weitere Umrisse zu sehen, die ersten Ausläufer der Nefer-Kette.
»Valdoscan«, rief eine Stimme.
Es war Lia’, die Anführerin dieser eigenartigen Expedition. In ihrer aufgeputzten, silbrigen Lederreitkleidung wirkte sie nicht älter als Inos, und doch hatte sie zwei Nächte zuvor über ihre Enkelkinder gesprochen. Nur ihre offenkundige Müdigkeit ließ jetzt ihr wahres Alter vermuten. Schließlich erinnerte sich Inos an ihren vollen Namen – Lia’scan.
»Euer Zuhause?«
Das Mädchen – die Frau – lächelte versonnen und legte die Hand schützend an ihren Hut, um besser sehen zu können. »So ist es! Ich bin dort nicht geboren und habe es nur selten besucht… doch jeder Elf gehört zu einem Himmelsbaum wie eine Biene zum Bienenstock.«
»Eines Tages würde ich sehr gerne einen Himmelsbaum sehen!« »Nur wenige, die jemals einen besucht haben, sind Nichtelfen. Doch wenn dies Euer Wunsch ist, Inosolan, dann soll es sein.«
Verwirrt zögerte Inos und dachte nach. Sie warf einen Blick über den Rest der Reiter. In Elmas hatten die Elfen schließlich eingewilligt, ihr doch zu helfen. Und sie hatten den Besuchern nicht nur das Recht zur Durchreise gewährt, sie hatten sie sogar Hals über Kopf begleitet; allerdings hatten sie Azaks Armee den Durchritt verweigert und ihm nur drei Mann zugestanden. Er hatte Char, Varrun und Jarkim ausgesucht und Zana und die anderen mit Gutturaz fortgeschickt, ihren Weg unbeschädigt zurück nach Zark zu suchen und nach den kommenden Jahren des Ruhms – so hoffte man zumindest.
Inos und die vier Djinns ritten unbewaffnet, während ihre elfische Eskorte vor glänzenden Schwertern nur so funkelte. Sie waren vielleicht leicht, doch sie alle bewegten sich wie Kolibris. Die Hälfte von ihnen waren Frauen. Sie glitten dahin wie Schwalben auf dem Wind. Azak war immer noch eher eingeschnappt als dankbar.
»My Lady«, sagte Inos, »ich glaube, ich verstehe nicht. Wir sind doch auf dem Weg ins Impire, nicht wahr?«
Lia’ sah sich um. Azak lenkte sein Pferd zu ihnen herüber. Sie gab ihrem Pferd die Hacken. »Laßt uns ein wenig gehen. Unsere Rösser werden sich erkälten, wenn wir zu lange stehen.«
Inos setzte ihre Stute in Bewegung und ritt verwirrt an Lia’s Seite.
»Ihr seid tatsächlich auf dem Weg ins Impire. Morgen mittag werdet Ihr die Grenze überschreiten. Wir können Euch über unbewachte Wege dorthin bringen, und wir können Euch Dokumente besorgen, die Euch danach Sicherheit gewähren sollten – niemand außer den Grenzbeamten weiß, wie ein richtiger Paß aussieht. Eure Waffen werden Euch zurückgegeben, doch Ihr würdet gut daran tun, sie versteckt zu halten. Alles wird so geschehen, wie es Euch versprochen
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