Dave Duncan
kein Zauberer war. Solange er sich an weltliche Mittel hielt, war es ihnen egal, ob er Armeen einsetzte oder Gift oder sonstwas. Er hatte Emines Schild und Schwert, und er war kein Zauberer, das war alles. Nur ganz selten hatten die Vier in der gesamten Geschichte einmal einem neuen Imperator oder Regenten die Anerkennung verweigert.
Ythbane salutierte. Der Hexenmeister erhob sich und erwiderte den Gruß und war sofort verschwunden. Shandie rieb sich die Augen. Es war kaum zu glauben, daß man etwas – jemanden – gesehen hatte, wenn dieser Jemand nicht mehr da war und man nicht gesehen hatte, wie er verschwunden war.
Jetzt schritt Ythbane hinüber und näherte sich von hinten dem OpalThron. Im Süden saß ein Elf. Shandie hatte so lange keine Elfen bei Hofe gesehen, daß er sich kaum an sie erinnern konnte, abgesehen von einigen Tänzerinnen und Sängern, und sie waren alle sehr jung gewesen. Keine erwachsenen Elfen, außer vielleicht Lord Phiel’nilth, der Hofdichter, und auch der wirkte nicht besonders alt.
Die beiden anderen Wächter würden jetzt sicherlich auftauchen und die Sache einstimmig festmachen – das hatte man ihm erzählt. Wenn nicht, würde es auch nichts ausmachen. Ythbane war jetzt Regent, und der arme Großvater würde bald sterben, und Shandie durfte gar nicht daran denken, oder er würde anfangen zu weinen. Das durften zukünftige Imperatoren aber niemals tun, besonders nicht in der Öffentlichkeit. Dafür würde man ihn richtig verprügeln, und das hätte er dann auch verdient.
Auf dem Blauen Thron saß ein Mann. Ein Junge? Er sah nicht viel älter aus als Thorog und auch nicht viel größer. Konnte das Lith’rian persönlich sein, oder hatte er an seiner Stelle einen Enkel oder so geschickt? Vielleicht sahen Elfen eben so aus, ganz gleich wie alt sie waren? Er trug eine Toga, und zwar eine sonderbar blaue, als hätte er in ihren Falten den Himmel eingefangen. Seine goldene Haut und die goldenen Locken waren in diesem Himmel der Sonnenschein, und sein Lächeln leuchtete hell. Sein Gesicht war sehr heiter, und seine Augen waren… sonderbar. Elfisch? Thorogs Augen standen irgendwie genauso schräg und waren ebenso groß und wunderlich. Shandie war das nie zuvor aufgefallen.
Mit solch goldener Haut und goldenen Haaren sollte ein Elf wirklich Hexenmeister des Ostens sein, damit der Thron zu ihm paßte. Das war eine lustige Idee! Und einem rothäutigen Djinn sollte der Westen gehören, und einem Jotunn der Norden, denn Jotnar waren so blaß. Was war mit dem Süden? Keine blaue Haut, aber blaues Haar – ein Merman? Das wäre viel ordentlicher, er würde das arrangieren, wenn er Emshandar V wurde.
Ythbane hatte salutiert. Der Junge erhob sich in anmutigem Schimmern und verbeugte sich sehr langsam vor ihm. Shandies Benimmlehrer hätte sich über diesen Anblick sehr gefreut! Und so sollte man eine Toga tragen! Die Zuschauer murmelten Anerkennung – und dann Überraschung, als der Hexenmeister wieder auf seinen Thron sank, sich zurücklehnte und seine Beine an den Knöcheln kreuzte, als richte er sich darauf ein, noch ein Weilchen zu bleiben. Sein Lächeln wirkte jetzt noch kecker.
Der Regent zögerte. Der Elf signalisierte mit einer Hand »Weitermachen« und verschränkte dann auch die Arme. Er lächelte und saß ganz entspannt da. Warum nicht? Wer könnte schon einen Hexenmeister schlagen, falls der sich schlecht benahm? Und der großartige Hexenmeister Lith’rian sah im Augenblick genauso teuflisch boshaft aus wie jeder andere freche Emporkömmling.
Ythbane war so offensichtlich verlegen, daß Shandie am liebsten gekichert hätte. Schließlich wandte sich der Regent gen Westen. Klong!
Stille.
Stille…
»Also hat er nur drei!« murmelte der alte Senator.
Es geschah immer noch nichts. Ythbane stand vor dem Roten Thron, und der Rote Thron blieb ganz stur leer. Hexenmeister Lith’rian legte eine Hand vor den Mund, um ein anmutiges Gähnen zu bedecken.
»Elfen und Zwerge!« murmelte der Senator. »Es ist nicht der Merman, es ist der Elf, hm?«
Ythbane gab auf. Mit einem vorsichtig finsteren Blick auf das offensichtliche Vergnügen des Südens stampfte er um den OpalThron herum und setzte sich. Shandie beobachtete Lith’rian, der im selben Augenblick verschwand. Die Zuschauer erhoben sich und ließen den neuen Regenten hochleben.
Nach dem Jubeln kamen die Reden. Sie zogen sich eine lange Zeit hin, und Shandie wünschte, es würde endlich aufhören, damit er einen Mundvoll seiner
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