Dave Duncan
war er immer noch Than von Gurtwist und sein Hoheitsgebiet sicher in der Obhut der Volksversammlung, während er im Ausland diente. Than wurde man zum Teil durch Geburt, zum Teil durch Tapferkeit. Witzbolde sagten, man brauche drei Dinge, um Than zu werden: Blutlinie, Blutdurst und Blutglück. Er hatte sich gut geschlagen, doch hatte er nie vorgehabt, sein Leben einer Karriere aus Vergewaltigung und Plünderei zu widmen. Er war sogar gerade von seiner Abschiedsfahrt zurückgekehrt, auf der er ein verführerisches Handelsschiff verfolgt und bei einem Gefecht einen schlecht plazierten Schnitt mit dem Schwert erlitten hatte. Er hatte es bis Gurtwist geschafft, bevor die Wunde zu eitern begann, doch ein oder zwei Monate lang waren die Götter danach offenbar sehr begierig, seine Seele zu wägen. Schließlich hatte er sich bis auf eine Kleinigkeit wieder vollständig erholt: ein bleibender Schaden, der ihn zwar beim Plündern nicht stören würde, ihn jedoch für die andere Hälfte des Berufes absolut disqualifizierte. Wäre diese Behinderung allgemein bekannt geworden, wäre er ein ruinierter, und wahrscheinlich schon bald ein toter Mann. Als regierender Than wäre er nicht lange in der Lage gewesen, seine Unzulänglichkeit zu verbergen, doch im passenden Augenblick war der Bedarf nach einem neuen Botschafter Nordlands im Impire auf den Plan getreten. Krushjor hatte es so gedreht, daß man ihn nominiert hatte, sich angemessen geziert, als er den Posten annahm und war davongesegelt, um bei den Feinden zu leben. Dort war er sicherer, denn niemand in Hub kümmerte sich um sein Privatleben oder andere Dinge.
Die Reise auf einem Langschiff brachte ihm also glückliche Erinnerungen an seine gewalttätige, lüsterne Jugend zurück. Doch verglichen mit Kalkor war er nie mehr als ein Amateur gewesen. Die Zeiten waren gerade vergleichsweise friedlich, und Überfälle waren auch nicht mehr das, was sie einmal gewesen waren – manchmal gewährte man Männern die Flucht, wenn sie ihre Wertgegenstände zurückließen, und Frauen wurden oft verschont, wenn sie sich gefällig hingaben. Kalkor war wie eine Rückkehr in die Große Zeit, zu legendären Kriegern mit Namen wie Stoneheart, oder Axeater oder Thousand-Virgins – Herz aus Stein, Axtfresser oder Tausend-Jungfrauen.
Er war ganz ohne Frage wahnsinnig, falls man gesunden Verstand nach dem Verhalten anderer Männer beurteilen konnte. Doch wahnsinnig in welcher Hinsicht eigentlich? Warum hatte er sich und seine Mannschaft in diese unmögliche Falle gestürzt? Als der erste Brief ankam, war Krushjor sich sicher gewesen, daß es ein Witz sein müsse oder eine ausgeklügelte List. Er war ganz entgeistert gewesen, als sein Neffe den Geleitbrief tatsächlich akzeptierte und sich in die Gewalt des Feindes begab. Der alte Mann wollte dringend wissen, warum, und ebenso, was man von ihm persönlich erwartete – doch jedesmal, wenn er versuchte, das Thema anzuschneiden, lächelte sein Neffe, und der Wahnsinn funkelte in seinen tiefblauen Augen und forderte Krushjor auf, diese eine impertinente Frage doch zu stellen. Kalkor war gewiß der einzige Mann an Bord, der die Antwort auf diese Frage kannte. Die Mannschaft eines Than stellte niemals Fragen.
Und überhaupt, wieso hatte er einen Kobold an Bord? Doch der Kobold war da, ruderte mit den anderen, und mit seinem schwarzen Haar und der khakifarbenen Haut fiel er zwischen so vielen Blonden ganz besonders auf. In dieser Umgebung wirkte er winzig, und doch bewegte er sein Ruder offensichtlich ganz locker.
»Es ist so verlockend!« seufzte Kalkor. Er starrte auf eine breite Rieselwiese, die völlig mit bäuerlichen Imps bedeckt war.
Krushjor konnte eher in der Stadt, die hinter der Menge der Zuschauer lag, die Versuchung erkennen. Sie hatte natürlich keine Mauer, hier im Herzen des Impire, und die alten Steine und Bohlen waren ausgemergelt von der Sonne und zermürbt von Jahrhunderten des Friedens.
»Du meinst, sie lassen die Stadt unbewacht?«
Sein Neffe zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Hast du es vergessen, Onkel? Städte der Imps sind immer unbewacht! Wache zu halten erfordert Mut, erinnerst du dich? Nein, ich habe mich nur gefragt, was passieren würde, wenn wir in dieser Menge ein Täuschungsmanöver anbringen würden – Schwerter ziehen und eine Landung vortäuschen. Wie viele würden in der Panik zu Tode kommen, was glaubst du? Hast du Lust zu wetten?«
Seine Augen funkelten vor Heiterkeit, doch schimmerte in ihnen auch ein
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