Dave Duncan
guter Imperator, der als Mann des Friedens regierte, obschon er in seiner Jugend viele Kriege geführt hatte. Ein Mann des Gesetzes und der Gerechtigkeit. Es war sehr grausam von dem Elf gewesen, ihn zur entscheidenden Stimme zu zwingen und so Herz vor Kopf zu stellen.
Natürlich hatte Kadolan gewünscht, daß Master Rap freigesprochen wurde, und sie hatte mit allen anderen applaudiert, und vermutlich hatte sie es ernster gemeint als alle anderen Zuschauer. Dennoch hatte sie irgendwie das Gefühl gehabt, daß es falsch war, sie hatte sich beinahe schuldbewußt gefühlt. Vielleicht mußte es nach einem solchen turbulenten Tag einfach so sein, daß gute Neuigkeiten bestenfalls fehlerhaft erschienen.
Inosolan hatte keine derartigen Probleme. Mit einem entzückten Aufschrei ließ sie Kadolans Hand fahren und riß sich von Azak los – denn der Sultan war schamlos aufmerksam ihr gegenüber, wie ein liebeskranker Junge – und eilte hinüber, um Master Rap zu umarmen. Kadolan blieb zurück, zwischen einem goldenen Kandelaber auf der einen und einem beinahe ebenso großen Sultan auf der anderen Seite, und war sich nicht sicher, welcher von beiden mehr Hitze abstrahlte. Einen Augenblick lang glaubte sie, er werde seiner auf Abwege geratenen Frau hinterherrennen und sie fortzerren, doch er hielt sich zurück, als er sah, daß Master Rap sich der Umarmung entzog.
»Inosolan!« bellte Azak, und Inos schlich wie ein geprügelter Hund zu ihm zurück.
Kadolan schreckte zusammen. Sie war sicher, daß Inos sich weigern würde, die heutige Nacht mit ihrem Mann in einem Zimmer zu verbringen. Es würde eine fürchterliche Szene geben. Vermutlich war Azak sogar imstande, Gewalt anzuwenden, und selbst die imperialen Gesetze waren in diesem Falle auf seiner Seite. Die Götter wußten, was das zarkianische Gesetz dazu sagte. Warum, o warum nur war Master Rap so dickköpfig ehrbar gewesen?
Fürchterliche Szene hin oder her, die Verhandlung war doch gewiß vorbei, und sie alle konnten gehen? Sie sah die anderen Anwesenden an – die Wächter auf ihren Thronen, der ausgezehrte alte Imperator, vornehme Männer in roten oder weißen Togen oder in Uniform, Damen in ihren weißen Chitons. Alle wirkten erschöpft. Worauf warteten sie noch?
Da sah sie, daß alle entweder Rap oder den Hexenmeister des Westens beobachteten. Beide schienen einander fest anzustarren.
Was hatte der eigensinnige Faun vor? Wollte er zu einem Hexenmeister frech sein?
Hätte der Gott der Liebe es nicht persönlich vorhergesagt, hätte Kadolan diesen Jungen niemals als passenden Partner für Inos betrachtet. Er tat offenbar oft genau das Falsche. Nicht, weil er starrköpfig war – die Mächte wußten, daß Inosolan in dieser Hinsicht keinerlei Anleitung oder Unterstützung brauchte! Nein, Master Rap schien so oft überlegt und aus den besten Gründen zu handeln und dann doch die schlimmsten Fehler zu begehen. Katastrophen verfolgten ihn wie ein schwarzer Hund.
Das Wettstarren ging weiter. Das war die Art von albernem Spiel, das sehr kleine Jungen spielten, nicht aber junge Männer. Und sicherlich keine Zauberer.
Warum also hielten offenbar alle die Luft an?
Unvermittelt taumelte der Zwerg von seinem Thron und wankte zu Rap hinüber. Der Hexenmeister schien betrunken oder krank, und Master Rap blieb wie gelähmt stehen. Die Zuschauer waren wie gebannt. Kadolan blickte zu Inos, die offenbar genausowenig verstand, was da vor sich ging. Aber das war gewiß keine kindische Angelegenheit mehr.
Ungefähr zwei Schritte von Rap entfernt blieb der Zwerg stehen und hob seine großen Mörderhände, als wolle er ihn angreifen. Doch er blieb einfach schwankend stehen, und das Spiel schien plötzlich vorbei zu sein. Beide Gegner erwachten langsam aus ihrer Trance, beide atmeten schwer. Rap wischte sich mit einem Arm über die Stirn. Was sollte das alles?
Da setzte der Elf zu einer Erklärung an. »Heil unserem neuen Hexenmeister des Westens!« sang er.
Inosolan machte einen Satz. Kade tat es ihr trotz ihrer wunden Füße nach. Hexenmeister?
Anscheinend nicht. Rap rief, er sei kein Hexenmeister. Nun wirkten alle völlig verwirrt, selbst die Wächter. Rap und Zinixo beobachteten einander erneut, aber Rap versuchte zumindest, sich mit ihm anzufreunden. Er lächelte. Er streckte ihm eine Hand entgegen.
Schließlich akzeptierte der Westen den Handschlag mit heftiger Geste. Und nicht nur einen Handschlag – auch ein Bruderkuß? Wie verwirrend! Sie wußte, daß es Zeiten und
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