Dave Duncan
Erleichterung aus und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Ihre Knie zitterten. Die Männer hatten ihren Seufzer nicht gehört.
»Du mußt es tun!« beharrte Rap. Wer konnte einem Zauberer widerstehen? »Es ist deine Bestimmung!«
Der Kobold knurrte etwas, das Inos nicht verstand, vermutlich einen Seemannsfluch.
»Die Götter haben dir ein Schicksal zugeteilt, und ich habe dir mein Versprechen gegeben!«
»Gott des Eiters! Soll mein Schicksal verrotten! Ich gebe dir dein Versprechen zurück… sprich nicht mehr darüber. Du machst mich krank!«
Plötzlich lachte Rap, und Inos staunte, daß es so vertraut in ihren Ohren klang. Sie hätte es überall erkannt, doch sie konnte sich nicht erinnern, wann sie Rap das letzte Mal hatte lachen hören.
»Du großes, dummes, grünes Ungeheuer! Wochenlang habe ich mir das Herz aus dem Leib gerissen, um dir ein freundliches Wort abzuringen, und jetzt trotzt du um meinetwillen sogar den Göttern?«
»Wochenlang«, antwortete der Kobold, »konnte ich kaum verhindern, meine Daumen in deine Augen zu drücken! Das einzige, was mich aufrecht gehalten hat, war die Vorstellung, welche schönen Dinge ich mit deinen Gedärmen anstellen würde, wenn schließlich… aber ich habe es mir anders überlegt und beschlossen, sie dort zu lassen, wo sie hingehören. Für einen Nichtkobold bist du ganz netter Abschaum, Rap.«
»Du willst nicht König der Kobolde werden?«
Pause… »Nicht zu diesen Bedingungen.«
»Das ist furchtbar! Der unschuldige Wilde hat sich durch die Verlockungen der Zivilisation verderben lassen. Aber bitte… wenn ich jetzt Rap bin, dann muß das hier Flat Nose sein.«
Der Fremde trat leise aus den Schatten hinter dem Stuhl des Kobolds hervor. Inos war sicher, daß noch vor einer Sekunde niemand dort gestanden hatte. Dennoch war sie früher gewarnt als Little Chicken, der argwöhnisch die Nase hochzog, über seine Schulter blickte und dann einen Satz von seinem Stuhl machte, der ihn bis zum Kamin beförderte. Dabei kreischte er auf.
Nun standen zwei Raps im Zimmer. Der neue war ein wenig kleiner und schmächtiger als der alte und in verdreckte Wildlederhäute gekleidet. Sein schmutziges Gesicht wurde von einem Stoppelbart verunstaltet. Inos konnte sich vorstellen, wie er roch, denn jenen Rap hatte sie im Frühling in der Nähe von Pondague getroffen. Er blieb an der Kante des Teppichs stehen und stand einfach da, mit demselben schwachen, gutmütigen und abwesenden Lächeln, das sie nun täglich bei Angilki sah.
»Zauberei!« zischte der Kobold.
»Ja.« Rap betrachtete die Erscheinung. »Er ist kein echter Mensch – nur die Götter können echte Menschen erschaffen. Aber für deine Bedürfnisse reicht er aus. Er wird bluten und sich winden, und gegen Ende wird er zu schreien beginnen. Die einzigen Worte, die er kennt, sind »Ich danke dir.«
»Zauberei des Bösen!« Little Chicken trat einen Schritt näher und stupste das Scheinbild mit einem dicken Finger an. Er spähte in sorglose Augen.
»Aus meiner Sicht nicht böse«, sagte Rap. »Auch nicht aus deiner. Da drin befindet sich kein Mensch, Death Bird. Es wird so aussehen, als leide und sterbe er, aber er hat keinen Geist, keine Seele. Er wird lange durchhalten.«
»Ich habe es dir gesagt – ich halte nichts mehr von Zauberei. Außerdem wäre es Betrug!« Dennoch schien er versucht, es auszuprobieren.
»Dadurch kannst du dieser Sitte ein Ende machen! Erinnerst du dich noch an die vielen wunderbaren Ideen, die du hattest?«
»Ja«, gab Little Chicken zu. »Und ich habe von Kalkor einige wirklich gute, neue Sachen gelernt.« Das klang beinahe sehnsüchtig.
»Dann wende sie an! Eine historische Folterung! Das ist notwendig für deine Bestimmung! Entweder mit ihm oder mir, und ich wäre dankbar, wenn du ihn nehmen würdest. Und außerdem… es wäre vermutlich sicherer. Ich könnte wütend werden.«
Rap streckte Little Chicken seine Hand hin. Little Chicken zögerte, doch schließlich lachte er in sich hinein und ergriff die Hand. Inos war nicht schnell genug, um genau zu registrieren, was als nächstes geschah, doch Rap flog über die Schulter des Kobolds und landete auf seinem Rücken mit einem Aufprall, der das gesamte Haus erschütterte. Little Chicken sprang mit voller Wucht auf ihn drauf. Inos hörte einige Male ein kurzes Knurren und Stampfen, ein kleiner Tisch fiel laut polternd um, und dann war es der Kobold, der durch die Luft wirbelte und wie ein Pfeil vom Boden abhob und
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