David Trevellyan 01 - Ohne Reue
nie irgendjemand irgendetwas verloren.
Das lag nicht daran, dass wir besonders gut auf unseren Kram aufpassten. Oder dass es Strafen oder Geldbußen dafür gab, sondern an unserem Quartiermeister. Er war der pragmatischste Mensch in der gesamten Kaserne. Wenn bei irgendjemandem ein Teil der Ausrüstung fehlte, verschwendete er keine Zeit damit, sich aufzuregen. Es interessierte ihn nicht, wo man es zuletzt gesehen hatte, ob man es verkauft oder ob es jemand gestohlen hatte.
Für ihn gab es nur eine einzige Erklärung, wenn man nicht fand, was man suchte.
Man suchte am falschen Ort.
Als ich das erste Mal zu Lesleys Haus gebracht worden war, im Kofferraum ihres Wagens, hatte die Fahrt fünfzig Minuten gedauert. Am Steuer von Lavines Wagen brauchte ich in dieser Nacht nur dreißig.
Die Polizei von Westchester County war schon da und erwartete mich, als ich ankam. Ich bog um die letzte Ecke und sah die roten und blauen Lichter eines Streifenwagens durch die Bäume blitzen, der die Einfahrt versperrte. Ich hielt daneben an. Am Haus standen drei weitere Wagen. Die dazugehörigen acht Beamten trugen Gewehre und Schutzwesten, doch ihre Körperhaltung schien relativ entspannt zu sein, fast gelangweilt. Einer von ihnen lehnte allein am Eingang der geöffneten Garage. Ein weiterer hockte neben der offenen Eingangstür auf dem Boden. Fünf befanden sich zwischen dem Zaun und ihren Fahrzeugen, und der letzte kam über den Kies auf mich zu. Ich sprang aus dem Auto und ging ihm entgegen.
» Ich bin Officer Rossi«, sagte er. » Ich trage hier die Verantwortung. Sind Sie der Mann von der britischen Navy? Commander Trevor-Lyon?«
» Trevellyan«, berichtigte ich und zeigte ihm meinen Ausweis.
» Nun, Sir, es sieht so aus, als seien Sie umsonst gekommen. Hier ist niemand außer uns.«
Der Knoten in meinem Magen zog sich noch ein wenig fester zusammen.
» Haben Sie drinnen nachgesehen?«, fragte ich.
» In jedem einzelnen Raum von oben bis unten«, antwortete er. » Sieht nicht so aus, als wäre jemand hier gewesen, seit die CSU-Leute weg sind.«
» Wann war das?«
» Dienstag, spät abends.«
» Und was war danach? Haben Sie das Haus gesichert?«
» Nein, Sir, das hat keiner angeordnet. Wir sind erst wieder hierher gefahren, nachdem uns das FBI angerufen hat.«
Ich ging auf das Haus zu.
» Wollen Sie sich trotzdem umsehen?«, fragte Rossi.
» Deshalb bin ich ja hergekommen.«
» Soll ich Sie begleiten?«
» Nein danke, ich kenne mich aus.«
» Okay, wie Sie meinen. Oh, aber eines noch. Wenn Sie das Büro im ersten Stock am Ende des Flurs betreten, seien Sie bitte vorsichtig. Das ist immer noch so etwas wie ein Tatort.«
Der Beamte, der an der Tür hockte, sah zu Rossi hinüber und rutschte dann beiseite, um mich hereinzulassen. Ich ging geradewegs durch den Eingangsbereich die Treppe hinunter in den Keller. Ich war der Meinung, wenn sie Tanya in dieses Haus gebracht hatten, dann hatten sie sie wahrscheinlich in einen der Hundekäfige eingesperrt, zumindest für eine Weile. Sie war intelligent, einfallsreich und gut ausgebildet. Ihre Wortwahl am Telefon hatte mir gezeigt, dass sie ihren Kopf benutzte. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hatte, mir eine Nachricht oder ein Zeichen zu hinterlassen, dann hatte sie sie genutzt. Aber da unten war nichts. Der Keller war komplett ausgeräumt worden. Selbst die Käfige waren weg.
Ich stieg die Treppe wieder hinauf und ging weiter bis in den ersten Stock. Diesmal war die Tür zu Lesleys Büro geschlossen und mit gelbschwarzem Klebeband am Türrahmen befestigt. Ich drückte die Klinke herunter und stieß die Tür mit Gewalt auf. Auf dem Boden befanden sich jetzt viele gelbe Beweismarkierungen, die wie kantige Plastikpilze in einer breiten U-Form dort aus dem Boden schossen, wo zuvor das Tischende gewesen war. Da mussten die Jungs vom CSU mit ihren Ultraviolettstrahlern am Werk gewesen sein. Auch die Laborflasche war durch eine Markierung ersetzt worden, aber der Wagen war noch da. Er stand am gleichen Platz wie bei meinem letzten Besuch mit Weston. Und die Lederriemen waren immer noch leer. Tanya war nicht da. Und selbst falls sie je dort gewesen sein sollte, war jetzt keine Spur mehr von ihr zu entdecken.
Ich nahm das Telefon, suchte das Bild von Tanya und hielt das Display neben den Wagen. Der Rahmen sah ähnlich aus, aber ich konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es derselbe war. Das Bild war viel zu klein und dunkel und verschwommen. Und es sprach nichts dagegen, dass
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