David Trevellyan 01 - Ohne Reue
Ärger. Die sind heute meist Pazifisten und wollen nur in Ruhe gelassen werden.«
» Wer ist es dann?«
» Es ist jemand ganz anderes. Jemand, der das Schwarzfahren gar nicht nötig hat. Jemand, der es nur gerne tut.«
» Warum?«
» Weil es gegen das Gesetz ist. Weil es Spaß macht. Je größer die Gefahr, desto größer der Kick. Sie halten sich für moderne Cowboys, die den letzten freien Pfad durch Amerika nehmen.«
» Also bitte!«
» Doch! So ist es. Oder wie wäre es damit? Weil es ein guter Ort ist, um Leute umzubringen, die niemand vermisst, und man verschwinden kann, bevor die Leichen gefunden werden. Das ist wie ein Fleck, der immer wieder kommt.«
» Das ist also schon früher passiert?«
» Schon häufig. Vor vier Jahren hat einer elf Leute umgebracht. Der Letzte dreizehn.«
» Haben Sie sie geschnappt?«
» Raabs Team hat sie erwischt. Irgendwann. Aber es gibt über hundertsiebzigtausend Meilen Schienen allein auf den Hauptlinien. Das sind eine Menge Verstecke. Oder man flüchtet. Von einer Seite des Landes auf die andere in nur drei Tagen. Oder man überquert die Grenze nach Mexiko. Oder nach Kanada.«
» Und egal, wohin man geht, man hinterlässt keine Spuren.«
» Genau. Kein Ticket, keine Kreditkarte, kein Hotel. Nichts.«
» Wenn der Kerl also nach fünf Morden immer noch da draußen ist, was hat sich dann verändert? Warum meinte er plötzlich, dass sich das Netz um ihn zusammenzieht? Verspätete Paranoia?«
» Jemand hat es ihm gesagt. Ihn gewarnt. Das ist die einzige Möglichkeit.«
» Jetzt sind Sie selbst paranoid. Es ist doch wahrscheinlicher, dass sich Raab irgendwie verraten hat. Wahrscheinlich hat er es selbst vermasselt.«
» Nein. Aus zwei Gründen. Zum einen haben wir jeden seiner Schritte überwacht. Er hat sich nicht verraten. Das wissen wir. Und zum anderen hat der Kerl nicht einfach einen anonymen Bullen bemerkt, der ihm auf den Fersen war. Er hatte genaue Angaben. Wer die Untersuchung leitet und wann er wo sein würde.«
» Aber das sind hochkarätige Informationen. Wie sollte ein Penner oder Veteran daran kommen?«
» Sie müssen verstehen, von was für Menschen wir hier sprechen. Das sind nicht die üblichen Gesetzesbrecher. Eine ganze Subkultur hat sich darum gebildet. Da ist eine Menge Geld im Spiel.«
» Sie sagten doch, es wären Penner und Veteranen.«
» Habe ich gesagt. Die sind auch noch da, sicher. Aber mittlerweile tun es auch Filmstars. Rockstars. Wirtschaftsbosse. Leute, die es gewohnt sind zu kriegen, was sie wollen und wann sie wollen, egal wie.«
» Und?«
» Ich spreche von ziemlich mächtigen Leuten. Leuten mit Kontakten. Besonders die Geschäftsleute. Sie alle haben Politiker und Behörden in der Tasche. Einer von ihnen muss eben auch Verbindungen zum FBI haben. So etwas ist nicht gut, aber es kommt vor.«
» Der Kerl, der die Männer umgebracht hat, hat also einen Tipp von seinem Kumpel beim FBI bekommen?«
» Ja.«
» Und dann hat er Raab erledigt, um seine eigene Haut zu retten?«
» Genau.«
» Und es war derselbe?«
» So wie wir es sehen, schon.«
» Und was fehlt Ihnen jetzt noch in Ihrem Blatt?«
» Ein Ass.«
» Dann mal los. Spielen Sie Ihre letzte Karte aus.«
» Wenn es ein Ass ist, dann werden wir mit dem Papierkrieg für Sie loslegen«, verkündete Rosser und hielt die Hand über den Kartenstapel. » Wollen Sie immer noch, dass ich es tue?«
Ich nickte.
Rosser schnippte die oberste Karte um und deckte sie mit der Hand zu. Das ging so schnell, dass ich nur verwischt die Farben rot, blau und gelb vor weißem Hintergrund wahrnehmen konnte, keine Spur von Zahlen. Rosser sah mich an und hob die Hand.
Auf der Karte war eine groteske Figur im Harlekinskostüm abgebildet, sie stand auf dem Nordpol einer Weltkugel und überschüttete die Erde mit Dutzenden winziger Karten.
» Oh mein Gott«, entfuhr es Rosser. » Jetzt sehen Sie sich das an.«
» Der Joker«, bemerkte ich. » Wie passend. Schön, Sie kennengelernt zu haben.«
» He, he, mal langsam. Das müssen wir uns vielleicht noch einmal genauer ansehen.« Rosser legte die drei Kartenstapel auseinander. » Wenn es sich beim Zugkiller und dem Mörder von Raab doch um zwei verschiedene Personen handelt, dann besteht zwischen ihnen vielleicht eine andere Verbindung. Was meinen Sie?«
Ich gab keine Antwort.
» Reden wir über den Kerl in den Zügen. Er ist ein Einzeltäter. Er ist reich. Mehr als reich. Stinkreich. Meinen Sie, er gehört zu der Sorte, die ihre eigene
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