David Trevellyan 01 - Ohne Reue
wäre.«
» Das könnte eine lange Geschichte werden.«
» Sieht nicht so aus, als hätten wir in absehbarer Zeit etwas vor.«
» Na gut. Es begann alles als eine Art soziales Gerechtigkeitsprojekt. Ich habe mir die Angaben über alle Morde in Manhattan während der letzten zwölf Monate besorgt. Es war eine ziemlich lange Liste, darum habe ich sie in aufgeklärte und unaufgeklärte geteilt. Und dann habe ich mir die Ergebnisse vom NYPD angesehen. Ich wollte wissen, wie viel von der Herkunft des Opfers abhängt.«
» Und haben Sie irgendwelche schlüssigen Hinweise gefunden?«
» Oh ja, zweifellos. Institutionalisierte Diskriminierung in der ganzen Stadt.«
» Basierend auf?«
» Es ist so: Wenn ein Kerl aus der Wall Street ermordet wird, ist die Polizei Feuer und Flamme. Der Mörder ist schon so gut wie gefasst, noch bevor das Namensschild an die Zehe gehängt wird. Wenn es ein Obdachloser ist, beginnen die Detectives gleich mit der Erledigung des Papierkrams und verschieben den Fall in die Akte ›Ungelöste Fälle ‹ .«
» Sind Sie sicher?«
» Absolut. Sie haben sogar eine eigene Abkürzung dafür: KMB – Kein Mensch betroffen.«
» Letzte Nacht war es aber nicht so. Ich habe die Leiche eines Penners gefunden, und die Polizei hat sich auf mich gestürzt wie ein Schwarm Fliegen.«
» Das war auch etwas anderes. Soweit ich weiß, war Ihr Opfer etwas Besonderes.«
» Woher wissen Sie das denn? Ich dachte, Sie hätten hier drinnen gesessen?«
» Ich habe die Männer reden gehört, bevor sie Sie geholt haben.«
» Und woher wussten die das?«
» Ich habe sie nur reden gehört«, gab sie achselzuckend zurück. » Stimmt es also? Das Opfer war ein FBI-Agent?«
» Ja, war es«, antwortete ich. » Aber das haben sie erst später herausgefunden. Die Polizei wusste anfangs noch nichts davon.«
» Sehen Sie, die Sache mit dem FBI verwirrt mich. Ich habe mir alle organisierten Banden angesehen, die möglicherweise Spaß daran haben, Obdachlose umzubringen. Oder auch irgendeinen Vorteil davon haben. Banden, Bauherren, Rassisten, Psychos, andere Streuner, egal was. Das FBI tauchte dabei nirgendwo auf.«
» Das heißt?«
» Was übersehe ich? Für mich hängt eine Menge von dieser Story ab. Wenn sie ein großes Loch hat, dann sollte ich das wissen.«
» Es gibt kein Loch. Das FBI hat mit Ihrer Geschichte nichts zu tun.«
» Aber ihr Mann war als Obdachloser verkleidet und wurde in Manhattan umgebracht. Ist das ein Zufall?«
» Warum nicht? Manhattan ist groß. Da dürften ständig Dutzende von Ermittlungen laufen.«
» Und wonach haben dann die Leute gesucht, mit denen Sie gesprochen haben?«
» Ich weiß es nicht«, antwortete ich. Schließlich war sie trotz allem Reporterin. » Sie haben sich ziemlich bedeckt gehalten. Aber es war klar, dass sie sich nur für Vorfälle außerhalb der Stadt interessierten.«
» Sind Sie da sicher?«
» Absolut sicher.«
» Na, Gott sei Dank«, meinte sie, drehte den Rücken zur Trennwand und setzte sich auf den Boden. » Und ich dachte schon, ich hätte etwas übersehen. Wenn alles umsonst gewesen wäre …«
Ich rutschte um die Ecke, um in ihrer Nähe zu sitzen. Schließlich saßen wir fast Rücken an Rücken, und unsere rechten Schultern waren nur durch das Drahtgitter getrennt. Ihr dichtes schwarzes Haar fiel zum Teil in meinen Käfig und berührte meinen Arm. Als sie den Kopf wandte, um mich anzusehen, kitzelte mich eine Strähne an der Wange. Sie roch nach Kokos.
» Wie heißen Sie?«, fragte ich. » Ich würde gerne nach Ihrem Artikel Ausschau halten.«
Sie lächelte und antwortete: » Julianne. Julianne Morgan. Und Sie?«
» David Trevellyan.«
» Darf ich Sie etwas fragen, David? Ich bin neugierig.«
» Bitte.«
» Über das FBI. Haben die Sie hart rangenommen?«
» Nicht besonders.«
» Warum haben sie Sie dann überhaupt festgenommen?«
» Das NYPD hatte einen Tipp von einem falschen Augenzeugen bekommen. Das hat sie eine Weile auf eine falsche Fährte gebracht.«
» Aber am Ende haben Ihnen die Agenten geglaubt?«
» Wir haben eine Art Einverständnis erzielt.«
» Und die wollten Sie nicht ins Gefängnis stecken, bis sie Ihr Alibi überprüft haben oder so?«
» Vielleicht hätten sie es gern gesehen, wenn ich noch etwas länger geblieben wäre.«
» Warum haben sie Sie dann laufen gelassen? Hat Ihr Anwalt etwas gezaubert?«
» Die Gespräche waren in eine Sackgasse geraten. Es war an der Zeit, andere Möglichkeiten zu
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