David Trevellyan 01 - Ohne Reue
der Fahrer, er fühlte sich von mir nicht bedroht. Nach einer weiteren langen Pause hatte ich genug und schlich schließlich furchtsam aus dem Käfig.
Der Beifahrer hielt mich am rechten Arm fest, während der Fahrer die Käfigtür schloss. Als er mit beiden Händen am Vorhängeschloss beschäftigt war, trat ich mit dem rechten Fuß vor die Kniescheibe des Beifahrers. Er schrie auf, krümmte sich vor Schmerz zusammen und ließ meinen Arm los. In dem Bemühen, das Gleichgewicht zu behalten, schwankte er wie betrunken herum und zog sein verletztes Bein an die Brust.
Das Vorhängeschloss fiel zu Boden, als der Fahrer reagierte. Seine rechte Hand fuhr zu dem glänzenden Colt in seinem Gürtel, doch noch bevor er ihn erreichte, traf ihn mein linker Ellbogen seitlich am Gesicht. Mit den eng gefesselten Handgelenken war es schwierig, genug Kraft aufzubringen, doch es reichte aus. Sein Kopf flog zur Seite, traf heftig auf den Rahmen der Käfigtür, und er ging zu Boden.
Ich wandte mich erneut dem Beifahrer zu, der sich mittlerweile wieder aufgerichtet hatte. Wutentbrannt ballte er die linke Hand zur Faust, und ich sah, wie seine Rechte mit der Smith & Wesson hinter seinem Rücken hervorkam. Mit vorgestreckten Armen sprang ich auf ihn zu und stieß seinen Arm nach unten, sodass die Pistole gegen seine Lenden stieß. Ich wollte seinen Arm nach oben drehen, um ihm den Ellbogen zu brechen, doch mit gefesselten Händen konnte ich den Hebel nicht vernünftig ansetzen. Ich hatte nicht viele Handlungsmöglichkeiten, also stieß ich ihm einfach die Stirn ins Gesicht. Das war zwar übereilt, aber immerhin war der Stoß heftig genug, um ihm die Nase zu brechen – ich konnte es knacken hören – und ihn rückwärts zu Boden zu werfen.
Im Fallen ließ er die Waffe los, ich trat sie unter die Regale an der Seite. Einen Augenblick lang blieb er still liegen, dann rollte er sich auf den Bauch, kam auf Hände und Knie, zog sich an einem leiterartigen Holzrahmen hoch und wandte sich zu mir um. Blut lief ihm aus der Nase über das Kinn und tränkte sein Hemd. Er machte einen unsicheren Schritt auf mich zu. Ich ließ ihn noch einen Schritt näher kommen, dann zog ich das rechte Knie hoch und stieß es ihm kräftig in die Rippen. Er klappte vor mir zusammen, ohne auch nur schreien zu können, weil ihm die Luft wegblieb. Ich hieb ihm die Fäuste auf den Hinterkopf, trat zur Seite und ließ ihn fallen.
Der Colt des Fahrers war bei seinem Sturz aus seinem Gürtel gefallen. Ich nahm ihn und betrachtete ihn. Es war eine schöne Waffe, der Holzgriff lag gut in der Hand. Mein Daumen war über dem Entsicherungshebel. Zwei Kugeln in jeden Kopf schienen mir nur fair zu sein. Doch das wäre zu laut und würde an falscher Stelle für Aufmerksamkeit sorgen.
Der Fahrer war mit dem Gesicht nach unten gelandet. Ich steckte seine Waffe ein und kniete mich neben ihn. Ich setzte ihm das rechte Knie zwischen die Schulterblätter und legte ihm die Hände auf Höhe der Ohren an den Kopf, bereit, ihn zu drehen.
» David!«, zischte Julianne plötzlich leise. » Was haben Sie vor?«
Sie stand dicht neben mir an ihrer Käfigtür. Mit schreckgeweiteten Augen krallte sie ihre Finger in das Drahtgeflecht.
» Oh mein Gott!« Ihre Stimme zitterte. » Sie wollen ihn umbringen!«
Ich hatte schon lange nicht mehr mit Zivilisten gearbeitet und vergessen, wie empfindlich sie auf solche Situationen reagieren. Es wäre geradezu lächerlich naiv, die beiden Kerle nicht unschädlich zu machen. Es war klar, was passieren würde, wenn sie am Leben blieben. Unter Garantie würden sie irgendwann wieder auftauchen und versuchen, einem eine Kugel in den Rücken zu jagen. Andererseits konnte ich nicht wissen, wie Julianne darauf reagieren würde, wenn ich es vor ihren Augen tat. Wenn sie in Panik geriet, würde ich sie nicht mitnehmen können. Doch sie war oben gewesen und konnte sich noch als nützlich erweisen. Wenn ich sie zurückließ, würde sie sich allein nicht befreien können.
Das war noch kein großes Problem. Schließlich hatte ich sie gerade erst kennengelernt, und es war noch zu früh, um zu sagen, ob ich sie wirklich mochte. Aber die ganze Sache hatte damit begonnen, dass ich versucht hatte, jemandem zu helfen. Dem obdachlosen Penner in der Gasse beziehungsweise dem Agenten, wie sich später herausstellte. Damals war ich zu spät gekommen, aber für Julianne bestand noch Hoffnung. Ich wollte nicht einfach gehen, ohne mir zumindest sagen zu können, dass ich es
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