David Trevellyan 01 - Ohne Reue
überprüfen.«
» Was soll denn das heißen?«
» Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr zur Lösung des Falles beitragen könnte, wenn ich in einer weniger beengten Umgebung operieren würde.«
» Mit anderen Worten, Sie sind geflohen?«
» Wenn Sie das so sagen.«
» Oh ja, das sage ich. Was haben Sie angestellt?«
» Nicht viel. Ich bin einfach rausspaziert, als sie nicht hingesehen haben.«
» Ja, da bin ich sicher. Besteht vielleicht die Möglichkeit, es so hinzudrehen, dass die Kerle hier auch nicht hinsehen, damit Sie hier herausspazieren können? Und mich mitnehmen?«
» Bestimmt. Zum richtigen Zeitpunkt.«
» Zum richtigen Zeitpunkt? Wann wird der sein?«
» Es kommt jemand, der mit mir sprechen will. Es wäre unhöflich, vorher zu gehen.«
» Vergessen Sie die Unhöflichkeit. Ich sitze hier schon drei Tage.«
» Ein paar Stunden mehr werden nicht schaden.«
» Haben Sie schon mal daran gedacht, was sie mit uns machen, wenn sie uns nicht mehr brauchen? Zum Beispiel, nachdem sie mit Ihnen geredet haben?«
Über unseren Köpfen rumpelte es erneut, dann polterten die Schritte zweier Personen die Treppe hinunter. Julianne ließ sich nach vorne fallen, als hätte man sie erschossen.
» Zu spät«, murmelte sie.
Die beiden jüngeren Gestalten tauchten unten an der Treppe auf.
» Wo ist euer Boss?«, fragte ich.
Sie ignorierten mich und traten vor Juliannes Käfig. Der Kerl, der mich gefahren hatte, hatte den Schlüssel und öffnete die Tür. Julianne stand auf und wich zurück.
» Wohin wollen Sie? Kommen Sie schon. Raus da!«
Julianne rührte sich nicht. Der Fahrer trat in den Käfig, doch sie wich weiter zurück, sodass er ihr folgen musste, um sie am Arm zu packen und hinauszubringen. Der Beifahrer schlug die Tür hinter ihnen zu.
Das Vorhängeschloss war von der altmodischen englischen Art, die man nicht einfach mit einer Hand zuschnappen lassen kann. Man muss den Riegel mit einer Hand festhalten, während man mit der anderen den Schlüssel herumdreht. Diese Schlösser sind zwar etwas unpraktisch, aber ich mag sie. Man hat keine Mühe auf Verzierungen oder Bequemlichkeit verwendet, sondern ganz auf Stabilität und Funktionalität gesetzt. Dabei sehen sie so seltsam aus, als gehörten sie zu einem mittelalterlichen Verlies oder Kerker. An meiner Tür befand sich ein ebensolches Schloss.
Der Fahrer mühte sich mit dem Schlüssel ab, und dann gingen die beiden, Julianne zwischen sich, zur Treppe zurück.
» Keine Sorge«, meinte der Fahrer. » Sie sind der Nächste.«
Mir sollte es recht sein.
Julianne vielleicht nicht.
Und den beiden mit Sicherheit nicht.
11
Bislang hatten sich all meine Aufträge immer in Städten abgespielt.
Alle bis auf einen. Der hatte zwar ganz gut angefangen, ich hatte ein Dach über dem Kopf, fließend Wasser und warme Mahlzeiten, doch das änderte sich bald. Es ging in den Dschungel von Kolumbien. Es war die Hölle. Überall gab es Viecher, die jeden wachen Moment ihres Daseins danach trachteten, einen umzubringen. Alle laufenden, kriechenden, schlängelnden, schwimmenden oder fliegenden Lebewesen bedeuteten Lebensgefahr. Selbst die Frösche waren giftig. Abgesehen von einer einzigen exotischen Spezies mit leuchtend roten und gelben Punkten. Damit wollte sie andere glauben machen, dass sie giftig war.
In gewisser Weise so wie die Männer, die Julianne mitgenommen hatten. Dabei gab es nur ein Problem. Manche Raubtiere fielen darauf herein und ließen sie in Ruhe, weil sie das Risiko nicht eingehen wollten. Andere griffen umso vehementer an.
Bei den Fröschen mag das in den meisten Fällen gut gehen.
Aber für mich war das kein befriedigendes Resultat.
Julianne wurde bereits zwanzig Minuten später wieder hereingebracht. Ich sah sie an, als der Fahrer sie in den Käfig schob. Sie wirkte ziemlich gelassen. Zumindest hatte sie anscheinend keine Schmerzen. Ich versuchte, ihren Blick zu erhaschen, doch sie hob den Kopf nicht, sondern sah unverwandt auf den Boden.
Der Fahrer öffnete meine Käfigtür und blickte mich wachsam und gespannt an. Er stand kerzengerade, die Brust vorgeschoben, das Kinn erhoben.
» Sie sind dran«, erklärte er. » Worauf zum Teufel warten Sie noch?«
» Auf nichts«, sagte ich leise und achtete darauf, ihm nicht ins Gesicht zu sehen.
Einen Moment zögerte ich, dann stand ich langsam auf. Ich zog eine richtige Show ab, ließ die Schultern und den Kopf hängen und dehnte die Sache noch ein paar Sekunden aus. Langsam entspannte sich
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