David und Goliath
wurden. Sie konnten malen, was sie wollten. Und sie gingen nicht in der Masse unter, denn es würde keine Massenveranstaltung werden. Im Jahr 1873 schlugen Pissarro und Monet ihren Kollegen die Gründung einer Künstlervereinigung mit dem Namen Société Anonyme Coopérative des Artistes Peintres, Sculpteurs, Graveurs vor. Es sollte keine Wettbewerbe, keine Jury und keine Preise geben. Alle Künstler sollten gleichberechtigt sein. Mit Ausnahme von Manet schlossen sich alle Impressionisten der Vereinigung an.
Die Gruppe mietete für die Ausstellung das Atelier des Fotografen Nadar am Boulevard des Capucines, nicht mehr als ein paar kleine Zimmer mit rotbraunen Wänden. Die Ausstellung der Impressionisten wurde am 15. April 1874 eröffnet und dauerte einen Monat. Der Eintritt betrug einen Franc. Es wurden 165 Gemälde gezeigt, darunter drei von Cézanne, zehn von Degas, neun von Monet, fünf von Pissarro, sechs von Renoir und fünf von Alfred Sisley – ein Bruchteil dessen, was der Salon auf der anderen Seite der Stadt zeigte. Jeder konnte so vieleGemälde zeigen, wie er wollte, und sie so aufhängen, dass die Besucher sie tatsächlich sehen konnten. »Selbst wenn die Impressionisten im Salon gezeigt wurden, gingen sie in der Masse unter«, schreiben die Kunsthistoriker Harrison und Cynthia White. »In einer unabhängigen Gruppenausstellung konnten sie die Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen.« 31
Insgesamt kamen 3500 Besucher. Allein am ersten Tag waren es 175, und das genügte, um die Aufmerksamkeit der Kritiker zu wecken. Allerdings fiel die Kritik nicht nur positiv aus: Der Witz machte die Runde, die Impressionisten würden eine Pistole mit Farbe laden und auf die Leinwand abfeuern. Der kleine Teich hat den Nachteil, dass er keine von allen anerkannte Einrichtung ist. Doch für seine Bewohner ist er ein anheimelnder Ort. Er bietet Gemeinschaft, Freundschaft und Unterstützung, hier werden Innovation und Individualität nicht misstrauisch beäugt. »Wir sind dabei, uns eine Nische zu schaffen«, schrieb Pissarro hoffnungsvoll an einen Freund. »Wir haben es geschafft, als Eindringlinge unsere kleine Fahne inmitten der Masse aufzustellen.« Für die Künstler bestand die Herausforderung nun darin, »weiterzumachen, ohne uns den Kopf über die Meinungen anderer zu zerbrechen«. Er hatte Recht. In ihrer kleinen Ausstellung fanden die Impressionisten eine neue Identität. Sie verspürten eine neue kreative Freiheit, und es dauerte nicht lange, bis der Rest der Kunstwelt von ihnen Notiz nahm. In der gesamten Geschichte der Kunst gibt es kaum eine wichtigere oder bekanntere Ausstellung. Wenn Sie heute die Gemälde kaufen wollten, die damals im Atelier am Boulevard des Capucines gezeigt wurden, müssten Sie mehr als eine Milliarde Dollar hinblättern.
Von den Impressionisten können wir lernen, dass es manchmal besser ist, ein großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein als ein kleiner Fisch in einem großen Teich. Hier stellte sich heraus, dass der scheinbare Nachteil des Außenseiters gar keiner ist. Als Pissarro, Monet, Renoir und Cézanne Renommee gegen Sichtbarkeit und rigide Auswahlkriterien gegen Freiheit abwägten, kamen sie zu dem Schluss, dass der Preis des großen Teichs zu hoch war. Caroline Sacks stand vor derselben Wahl. Sie konnte ein großer Fisch an der University of Maryland werden oder ein kleiner Fisch an einer der angesehensten Universitäten der Welt. Sie entschied sich für den Salon und gegen die Dachwohnung am Boulevard des Capucines – und zahlte einen hohen Preis.
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Die Probleme begannen im zweiten Semester, als Caroline Sacks einen Kurs in Chemie belegte. Es war ihre dritte Zwischenprüfung. Heute denkt sie, dass sie sich damals zu viele Kurse aufgebürdet hatte und nebenher zu viel unternahm. Als sie die Note sah, blieb ihr fast das Herz stehen. Sie ging zu ihrem Professor. »Er ging einige Aufgaben mit mir durch und sagte: ›Dir fehlen ein paar Grundlagen, und ich würde dir empfehlen, nicht an der Abschlussprüfung teilzunehmen und den Kurs im Herbst zu wiederholen.‹«
Das tat sie dann auch. Im dritten Semester schrieb sie sich wieder für den Kurs ein, doch das Ergebnis war kaum besser: Sie bekam eine Drei. Sie war erschüttert. »Ich hatte noch nie eine Drei bekommen«, sagt sie. »Und ich hatte den Kurs zum zweiten Mal belegt, und die meisten anderen Studierenden in dem Kurs waren im ersten Semester. Ich war ziemlich frustriert.«
Als sie sich an Brown beworben
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